Neue Kurven für die Spree

Malschwitz. Landschaftsökonom Jan Peper steht am Altarm der Spree nahe Lömischau am Flussufer und blickt zufrieden über das Gewässer. Am anderen Spree-Ufer treibt ein großer Baumstamm im seichten Wasser. Wenige Meter weiter markieren ein Stumpf und zahllose Holzspäne die Stelle, an der ein Biber seinem Tagewerk nachging und den Baum zu Fall brachte. Hinter dem Stamm zeichnet sich im klaren Wasser eine Sandbank ab. Geformt hat sie ein Teil der gegenüberliegenden Uferböschung. Die Abbruchkante ist deutlich zu sehen.
Alles ist genau so, wie Jan Peper es sich vorgestellt hat. Peper, der bei der Verwaltung des Biosphärenreservats Oberlausitzer Heide- und Teichland verantwortlich für die Redynamisierung der Spree ist, erklärt: "Totholz ist ein Lebensraum, der in unserem Wasser bisher gefehlt hat. Bislang hatten wir Wasser und Steine. Man könnte das Holz auch künstlich einbringen. Hier macht es die Natur aber von selbst. Die kleine Sandbank, die hinter dem Baum entstanden ist, bietet wieder ganz andere Lebensbedingungen."

Die Folge: Alte Bekannte siedeln sich am Flussufer an. Neben dem Biber gibt es hier auch wieder Otter, Eisvögel und seltene Insektenarten. Dass dem so ist, ist keine Selbstverständlichkeit und wäre während der letzten 90 Jahre so kaum denkbar gewesen.
Denn zwischen 1927 und 1931 führte die Annahme, eine Begradigung des Flusses verbessere den Hochwasserschutz, zu umfangreichen Kanalisierungsarbeiten. Die Fließgeschwindigkeit der Spree erhöhte sich. Ohne seine Windungen und Schleifen grub sich der Fluss tief in die Landschaft ein und verlor seine Dynamik. Wehre wurden errichtet, um das Wasser anzustauen, Sohlschwellen sollten das weitere Eintiefen verhindern.
In der Folge wurden die Auwiesen nicht mehr überschwemmt, Fische konnten nicht mehr flussaufwärts wandern, die vom Flusslauf getrennten Altarme verloren ihre ursprüngliche Funktion. Und auch das Versprechen vom besseren Hochwasserschutz erfüllte sich nicht.

Die wertvolle Auenlandschaft zu erhalten und als natürliche Überschwemmungsfläche wiederherzustellen, nahmen sich die Landestalsperrenverwaltung, das Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichland, die DBU Naturerbe - eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bundesstiftung Umwelt - und der Freistaat im Jahr 2012 vor. Ihr Plan: Auf einer Strecke von etwa fünf Kilometern galt es, die Spree zwischen Lömischau und Neudorf in ihr altes Bett zurück zu zwingen. Neben 1.500 Metern mehr Flusslauf sollte so auch ein sachsenweites Modellprojekt zur Renaturierung begradigter Flussläufe entstehen.
Nach Abschluss aller Planungen, in die auch Anwohner und Landeigner der betroffenen Ortschaften einbezogen wurden, fiel der Baubeginn auf das Jahr 2018. Bis zum Abschluss des Projektes an diesem Montag wurden elf Einzelmaßnahmen realisiert, die neben der Einbindung von Altarmen auch neue Hochwasserschutz-Anlagen und die Quervernetzung von Spree und Auen zum Ziel hatten. 6,2 Millionen Euro investierten Freistaat und DBU Naturerbe in das Vorhaben.

Die Wiederanbindung der Mäander nördlich von Lömischau und südlich von Neudorf und der Hochwasserschutz in Halbendorf stellten innerhalb des Gesamtprojektes die größten Baumaßnahmen dar. Um Halbendorf im Falle eines Hochwassers vor Überflutung zu schützen, wurden zwischen Mai 2018 und November 2019 entlang der begradigten Spree auf einer Länge von 580 Metern Spundwände gesetzt und der Brücken-Durchlass verbreitert.
Den Fluss sich selbst überlassen
Diese 580 Meter sind es, entlang derer der Spreelauf künftig weiterhin gepflegt werden muss. "Hier muss gemäht werden. Wenn sich Holz vor der Brücke verfängt, muss es eingesammelt werden", zählt Jan Peper auf. An den beiden Altarmen bei Lömischau und Neudorf übernimmt indes der Biber die weitere Landschaftsgestaltung. "Wenn wir von Redynamisierung sprechen, dann klingt das immer so sperrig", sagt Peper. Dabei, erklärt er weiter, sei eigentlich nur gemeint, "dem Fluss die Möglichkeit zu geben, sich möglichst frei zu entwickeln".
Bis dieses Ziel erreicht ist, müssen die Projektplaner noch einen weiteren wichtigen Schritt gehen: Damit Fischarten, die hier früher heimisch waren, sich wieder ansiedeln können, muss die ökologische Durchgängigkeit der Spree von der Bautzener Talsperre bis an die Landesgrenze wiederhergestellt werden. Vier Wehre versperren in diesem Bereich bislang noch den Weg. "Hier gibt es bereits ein Anschlussprojekt mit einer konkreten Planung", sagt Jan Peper.
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