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Renft-Songs begeistern noch heute

An diesem Konzert hätten die ehemaligen Musiker von Renft ihre Freude gehabt. Es ging bis weit nach Mitternacht.

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Von Bernd Goldammer

Renft bringt viele Menschen auf die Beine. Sonnabend im Medinger Kultgasthof war das wieder deutlich zu spüren. Autonummern verweisen auf lange Anreisen. Doch wie alt ist die Band eigentlich? „Nimmt man das Gründungsjahr, dann haben wir jetzt bereits unser 55. Bandjubiläum und würden zu den dienstältesten Bands gehören.

1958 gründete der 16-jährige Musiker Klaus Jentzsch mit einigen Freunden in Leipzig die „Klaus Renft Combo“. Ab 1962 nannte sie sich „The Butlers“. Die Jugendlichen gerieten schon bald in den ideologischen Sog der DDR-Kulturpolitik. Gab es beim Deutschlandtreffen der FDJ 1964 noch eine Auszeichnung, wurden die Butlers ein Jahr später verboten. Unbefristet! Grund: Ihr musikalischer Stil sei zu westlich ausgeprägt. 1967 durfte dann die Klaus Renft Combo wieder öffentlich auftreten. 1971 fanden sogar Rundfunkaufnahmen statt. Hintergrund: Im Sommer 1973 standen die 3. Weltfestspiele der Jugend in Ostberlin statt. In dieser Zeit war Rockmusik zum internationalen Kulturgut avanciert. Das war unbemerkt an der DDR vorbeigegangen. Wenn in den Sälen des Landes DDR-Musik gespielt wurde, hörten viele Leute auf zu tanzen.

Wenn die DDR-Oberen ihre Jugend noch irgendwie erreichen wollten, mussten sie sich dieser Entwicklung stellen. Aus Eiszeit wurde Tauwetter. 1973 produzierte Renft die erste Amiga-Schallplatte mit dem Titel: Klaus Renft Combo. Die Band arbeitete mit dem Texter Gerulf Pannach zusammen, er wurde Teil von ihr. Erfolg setzte ein. Die Songs stellten unangenehme Fragen an die Lebensweise in der DDR. Die Fanschar reiste der Band zu ihren Auftrittsorten nach. Renft wurde immer unbequemer. Über diese Musik redete das ganze Land. Die Kulturbürokratie war ratlos. 1974 kam die zweite Amiga-LP. Sie wurde Bückware. Nachdem die Platte im Handel nicht mehr erhältlich war, fertigten die Fans zehntausende Tonbandkopien. Die Ballade vom kleinen Otto erschien. Im Focus des Songs: Grenze und Weggehen. 1975 ging ein Schock durch die DDR. Renft war verboten. Die DDR-Führung verlor breite Kreise ihrer Jugend. Die Songs waren tief in den Herzen der DDR-Einwohner eingebrannt. Niemand konnte sie verbieten.

Die Bandmitglieder gingen auf unterschiedlichen Wegen weiter. Kuno und Gerulf Pannach kamen sogar ins Gefängnis. Nach einem Jahr wurden sie durch die BRD-Regierung freigekauft. Erst nach dem Mauerfall ging die Band wieder gemeinsam auf Tour. Es gab Jubel und Freudentränen.

Sonnabend im vollen Medinger Saal kamen all diese Gedanken und Gefühle wieder nach oben. Nichts ist vergessen. Die meisten Lieder wurden mit glänzenden Augen mitgesungen. „Unsere LPG hat hundert Gänse“, „Mama“, Zwischen Liebe und Zorn“. Man spürte: Diese Songs waren den meisten Konzertbesuchern noch im Herzen geblieben, auch wenn Renft im zurückliegenden Jahr fünf Mitglieder verloren hat. Sie sind unvergessen. Gerulf Pannach, Klaus Jentzsch, Peter „Cäsar“ Gläser, Peter „Pjotr“ Kschentz, Heinz Prüfer – mit jedem Lied kommen sie an die Oberfläche der Gefühle. Der Saal brodelt bei „Wer die Rose ehrt“ und auch bei der Ballade vom kleinen Otto. So viel von Abschied und Weitergehen...