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Retter finden krankes Kind nicht

Weil nach dem Notruf der Arzt im stockdunklen Krauschwitz herumirrt, fordert ein Vater nun drastische Konsequenzen.

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© André Schulze

Von Thomas Staudt

Kurz vor Mitternacht. Aufgeregt wählt Marcel Voigt die Notrufnummer. Die späte Uhrzeit lässt ihn nicht kalt, aber seiner Tochter geht es schlecht. Die Retter brauchen keine Ewigkeit, und doch treibt die Ungeduld den besorgten Vater irgendwann nach draußen. Vor der Tür ist es stockdunkel. Gegen 23 Uhr wird die Straßenbeleuchtung in Krauschwitz komplett abgeschaltet. Später tasten zwei Scheinwerfer durch die Nacht. Der Wagen fährt weiter. Aus dem Augenwinkel erkennt Voigt den Rettungswagen und macht sich bemerkbar. Als auch er bemerkt wird, steigen die Sanitäter auf die Bremsen. Voigt ist erleichtert. Das hätte ins Auge gehen können. „Wenn die Straßenbeleuchtung angewesen wäre, hätte der Notarzt keine Probleme gehabt, uns zu finden“, meint er. An die Gemeinde Krauschwitz appelliert er nun, eine Alternative zur Komplettabschaltung der Straßenbeleuchtung zu finden. Wären wenigstens die Kreuzungen beleuchtet, würde das schon einiges bringen. „Ich habe eine Zeit lang im Westen gelebt. Da lief das ganz anders“, meint Voigt.

Tatsächlich ist Krauschwitz mit dem Problem Straßenbeleuchtung nicht allein. Mit steigenden Energiekosten werden die Aufwendungen für die Straßenbeleuchtung immer mehr zu einer Zerreißprobe für die öffentlichen Haushalte. Auch in Rietschen gehen im Laufe der Nacht die Lichter aus. Klagen über dunkle Straßenzüge gibt es auch aus Weißwasser. In manchen Straßen brennt nur jede zweite Laterne die ganze Nacht. Um die Kosten zu senken, wurden erst kürzlich viele Straßenzüge auf Energiesparlampen umgestellt. Sie können zusätzlich gedimmt werden. Über wissenschaftliche Studien konnte nachgewiesen werden, dass sich das menschliche Auge besser an ein dauerhaftes Halbdunkel gewöhnt, als ständig mit dem Wechsel von Hell zu Dunkel kämpfen zu müssen. Unebenheiten können mit dem gedimmten, aber gleichmäßigen Licht besser erkannt werden. Der Heimweg wird sicherer.

Marcel Voigt hat die SMH, die Schnelle Medizinische Hilfe, wie der Rettungsdienst zu DDR-Zeiten hieß, schon öfter angefordert. Aber noch nie zu einer solchen Uhrzeit. Wenn es der kleinen Sophie nicht so schlecht gegangen wäre, hätte er sicherlich darauf verzichtet. Doch auch wenn eine Mandel-OP für erfahrene Ärzte kein Hexenwerk und die Entfernung von Polypen heute ein Routineeingriff ist, können Komplikationen im Nachgang auftreten. Der behandelnde Arzt hatte extra darauf hingewiesen und empfohlen, im Notfall den Rettungsdienst zu rufen. Hätte der nicht durch das Blaulicht zweifelsfrei identifizierbar sein müssen? Nein, sagt das Landratsamt Görlitz, wo sich Marcel Voigt danach erkundigt hat. Weil sich die Leute darüber beschweren, nachts vom Blaulicht aus dem Schlaf gerissen zu werden, bleiben nicht selten Sirene und auch Blaulicht aus. „Aber wer hätte denn die Verantwortung übernommen, wenn die uns nicht gefunden hätten?“, fragt Voigt. „Und was wäre aus meiner Tochter geworden?“

Bei der Gemeinde Krauschwitz ist das Problem Straßenbeleuchtung durchaus bekannt. „Es gibt bereits einige Änderungsvorschläge“, erklärt Bürgermeister Rüdiger Mönch und kündigt an, im Technischen Ausschuss neue Reglungen für alle Ortsteile forcieren zu wollen. „Ich kann aber schon sagen, dass die Beleuchtung nicht die ganze Nacht brennen wird“, sagt er. Nach der Sommerpause sollen Lösungen auf den Tisch. In Wohlgefallen wird sich die Angelegenheit auch dann nicht auflösen. Die Straßenbeleuchtung ist nämlich nicht das einzige Problem. Rettungs- und Lieferdienste kämpfen in der Geschwister-Scholl-Straße, wo Marcel Voigt mit seiner Familie wohnt, zusätzlich mit nicht fortlaufenden Hausnummern. Trebendorf hat eine vergleichbare Problematik im Waldweg bereits gelöst. Dort wurden bereits 2012 neue Hausnummern vergeben, die Änderung eines Straßennamens nach Bürgerprotesten aber rückgängig gemacht.