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Rettungsdienste sind bei Notfällen zu langsam

Hilfsfrist. Sachsens Helfer schaffen es besonders in ländlichen Regionen wie der Westlausitz kaum, die straffen Zeitvorgaben für ihre Einsätze einzuhalten.

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Von Uwe Jordan

Diese Zahl ist Gesetz: 95 Prozent sind die magische Grenze. In so vielen Fällen müssen Sachsens Notfall-Helfer in zehn Minuten mit „bodengebundenen Rettungsmitteln“ am Einsatzort sein. In der Realität schafft das von den 19 Rettungsdiensten Sachsens nur jener der Stadt Leipzig. Alle anderen nicht. Das geht aus der Antwort von Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo auf eine Kleine Anfrage von Jürgen Martens, Landtagsabgeordneter der FDP, hervor.

Noten und Wahrheiten

Auch der Rettungszweckverband Westlausitz (RZV), in dem Hoyerswerda und der Landkreis Kamenz kooperieren, bekam keine wirklich guten Noten: Wurde 2003 in 82,7 Prozent der Rettungs-Fälle das Zehn-Minuten-Ziel erreicht, waren es 2004 sogar nur 81,8. 2005 verbesserte sich die Lage leicht auf 82,1.

Volker Sanderhoff, der Geschäftsführer des RZV, ist erstaunt. Er kenne diese Zahlen so nicht. Die Statistik des Verbandes weise für 2005 beispielsweise 83 Prozent aus. Allerdings sei dies kein Versuch, etwas zu beschönigen, aber man müsse die Realitäten in Anschlag bringen. Und die besagen, dass einerseits seit 2001 (mit 78 Prozent Limit-Einhaltung) die Lage dank erheblicher Anstrengungen etwas besser geworden sei. Sanderhoff: „Die subjektiven Faktoren, die die Zeit von der Alarmierung bis zum Eintreffen am Rettungsort beeinflussen – also die innerbetriebliche Kommunikation in der Leitstelle und die Ausrückzeiten – die haben wir so weit verknappt, da geht nichts mehr.“

Lange Wege auf dem Land

Weitere Ansatzpunkte sind kaum vorhanden. Bei langen Anfahrtswegen wie etwa auf dem Land wären die Hilfsfristen nur noch senkbar, wenn es ein dichteres Netz von Rettungswachen gäbe. Weitere Ausgaben sind angesichts der bereits getätigten Investitionen kaum denkbar. „2001 hatten wir im Verbandsgebiet nur fünf Rettungswachen, von denen eine nur tagsüber besetzt war. Da sind wir ständig beim Regierungspräsidium und bei den Krankenkassen vorstellig geworden und haben die Kassen überzeugen können, sich hier zu engagieren“, sagt Sanderhoff. Heute gibt es acht Rettungswachen im Kreis. Letzter großer Schub: Bernsdorfs Umstellung vom Zwölf- auf den 24-Stunden-Betrieb per 1. Juli dieses Jahres. „Allein das waren vier neue Stellen mit einem Jahresaufwand von 100 000 Euro“, betont Sanderhoff.

Doch nicht nur die Zahl der Rettungseinsätze steigt, sondern auch ihre Überschneidungen. „Wenn das Fahrzeug der Wache bei einem Einsatz ist und sich ein weiterer Notfall ereignet, müssen wir ein Auto von einer anderen Wache dorthin dirigieren. Das ist länger unterwegs“, erklärt Sanderhoff. Die Alternative hieße: Mehr Fahrzeuge und mehr Personal pro Wache – und das ist, da nicht finanzierbar, eben keine Alternative. Ohnehin glaubt Sanderhoff, dass auf dem Land eine Hilfsfrist-Einhaltung von 85 oder 86 Prozent machbar ist. Alles andere sei unfinanzierbar.

Rettung aus der Luft

Muss angesichts der Zahlen gefürchtet werden, dass in der Westlausitz, speziell auf dem Land, die Notfall-Rettung mangelhaft ist? Sanderhoff verneint. Denn die Zehn-Minuten-Grenze wird nicht in jedem Fall verfehlt. Der Wachen-Bereich Hoyerswerda liegt bei 90 Prozent, das Stadtgebiet Hoyerswerda sogar über 95. „Für dramatische Fälle können wir über drei Hubschrauber verfügen. Wo es um Sekunden geht, sind wir aus der Luft weit eher als in zehn Minuten da“, betont Sanderhoff.