SZ +
Merken

Richtige Wortwahl

Die Sonne scheint, und mein brauner Hut ist nicht mehr ganz so speckig. Denn Liesbeth und ich kommen gerade aus der Reinigung. Die Pausitzer Straße runter Richtung Bullewar im gemächlichen Sonntagsschritt sehen wir es plötzlich weiß auf schwarz.

Teilen
Folgen

Die Sonne scheint, und mein brauner Hut ist nicht mehr ganz so speckig. Denn Liesbeth und ich kommen gerade aus der Reinigung. Die Pausitzer Straße runter Richtung Bullewar im gemächlichen Sonntagsschritt sehen wir es plötzlich weiß auf schwarz. „Den Krieg haben wir und wollen ihn nicht. Olympia wollen wir, aber kriegen wir nicht.“ Mein Seelenverwandter, NudelWalter von der Goethestraße, bringt mit dicker, weißer Kreide wieder seine spitzen Gedanken auf schwarzen Tafeln zum Ausdruck.

„Schön, wenn wenigstens einer seinen Standpunkt zum Ausdruck bringt“, sagt forsch meine Angetraute. Ich erhebe den Zeigefinger wie in der Schule vor vielen Jahrzehnten und ergänze: „Ja, ja. Manche bekommen nicht einmal die Möglichkeit dazu, auch wenn sie noch so viel diskutieren wollten.“ Liesbeth winkt ab und schüttelt mit dem Kopf. Sie bleibt stehen. Der Dederonbeutel an ihrer Seite hört auf mit Schlenkern. „Is‘ das net schlimm. Das is ja wie früher, wo wir net reden durften, obwohl wir wollten. Heimlich hamm‘er es dann getan“, erzählt meine bessere Hälfte. Recht hat sie.

Und nu is es ganz schlimm im Stadtrat. Der Irak-Krieg soll ein Tabuthema sein. Einige Stadträte wollen darüber reden, dürfen aber nicht. Sogar einen Brief an unsere Partnerstädte drüben überm Teich und auf den britischen Inseln woll‘n se schreiben, um für den Frieden zu werben. Doch nun geht‘s nimmer.

Worte haben zweierlei Maß. Die einen können ehrlich sein, die anderen verhüllend. Die Ehrlichen sind meist nicht erwünscht, vor allem in den oberen Etagen nicht, denn dort sind die Fettnäpfchen, in denen man hineintreten könnte, größer.

Die verhüllenden Worte sind da schon beliebter, denn sie lassen nur versteckt den wahren Inhalt deutlich werden. Manche Menschen benutzen gerade diese rhetorischen Verhüllungen, um etwas völlig anderes zu sagen, als sie dabei wirklich meinen. Olympia muss ja nicht unbedingt heißen: Sport, Spiele und Spaß, sondern viel Geld und viel Prestige für wenige Auserwählte. So nehmen einige verhüllende Worte, um die ganze Wahrheit zu verschleiern, andere dagegen, um auf eine ausgewählte Art und Weise die Wahrheit zu sagen.

Während meiner ausgedehnten philosophischen Phase haut mir plötzlich Liesbeth ihren harten Ellenbogen in meine teure Hüfte. „Mensch Maxe, wollen wir nisch mal zu Nudel-Walter essen gehen. Da könnt Ihr beiden Euch so richtig ausquatschen“, schlägt meine liebenswerte Gattin mir vor. Der Vorschlag gefällt mir. „Richtig, mein Schatz, diese Idee ist brillant. Da lerne ich mal eine ehrliche Haut kennen.“ (cm)