"Wir machen keine Witze über Corona"

Riesa. Das Riesaer Kabarett-Duo Stefan Schramm und Christoph Walther, bekannt als „Zärtlichkeiten mit Freunden“, sollte am Sonntag in Schönfeld auftreten. Ein guter Grund, sich mit den beiden auf dem Riesaer Boulevard zu treffen. Doch während des Interviews mit der SZ kommt die Absage.
Jetzt müssen wir das Interview wieder von vorn beginnen. Es ist Freitag-Vormittag. Und gerade eben habt ihr erfahren, dass euer Auftritt im Schönfelder Schloss abgesagt wurde. Und nun?
Stefan Schramm: Das ist schade, aber wahrscheinlich die beste Entscheidung. Denn am Sonntagabend soll es regnen. Wegen Corona hatten wir vor, draußen aufzutreten und nicht im Schloss. Das wird wohl jetzt nichts.
Christoph Walther: Auch nicht schlecht. Dann kann ich was in Familie tun.
Braucht ihr als Künstler in Corona-Zeiten nicht jeden Auftritt?
Stefan Schramm: Klar, aber was will man machen. Der Auftritt in Schönfeld war schon im Mai geplant, ist ausverkauft und musste wegen Corona abgesagt werden. Jetzt müssen wir ihn erneut verschieben. Wann wir ihn nachholen können, ist noch unklar.
Wie ist es euch seit Beginn der Pandemie ergangen?
Stefan Schramm: Eigentlich wie jedem Künstler, der nicht beim Fernsehen oder in einem Theater fest angestellt ist. Plötzlich darf man nicht mehr arbeiten und verdient kein Geld. Die Sofortunterstützung vom Staat hilft da auch nicht wirklich. Denn wir dürfen sie nur für Betriebskosten ausgeben und nicht zum Leben. Das meiste davon müssen wir irgendwann zurückzahlen.
Christoph Walther: Wir hatten noch einigermaßen Glück. Normalerweise treten wir von Anfang September bis Mitte Juni auf. Das ist unsere Saison, in der wir richtig viel spielen, weil danach sowieso weniger los ist. Da machen die meisten Theater Sommerpause und es gibt vielleicht noch ein paar Festivals, wo man auftreten kann. Aber meistens nehmen wir im Sommer unseren Jahresurlaub.

Stefan Schramm: In den letzten Jahren haben wir ab Mai an unserer Fernsehsendung „Zärtlichkeiten im Bus“ gearbeitet. Da beschäftigt man sich einen Monat lang, nur um Drehbücher zu schreiben, und dann muss noch gedreht werden.
Ihr seid seit 2013 mit eurem Bus unterwegs und interviewt andere Künstler. Im vergangenen Jahr gab es nur drei Folgen, die Jahre davor immer vier. Was ist los?
Stefan Schramm: Es sind erstmal keine weiteren Sendungen geplant. Wir wissen nicht, wie es weitergeht.
Christoph Walther: Wir hatten schon viereinhalb Monate für 2020 geblockt, um neue Folgen drehen zu können. Wenigstens hat uns der MDR noch eine Best-of-Sendung ermöglicht, die wir im Sommer zusammengeschnitten haben und die im Dezember laufen soll.
Seid ihr enttäuscht vom MDR?
Stefan Schramm: Wir sind sehr froh, dass wir sieben Jahre diese Fernsehsendung machen durften. Wir waren relativ unbekannt und hatten vorher mit Fernsehen nicht viel zu tun gehabt.
Christoph Walther: Aber ich. Ich habe viele, viele Jahre bei Riesa TV moderiert. Wir haben damals für unsere Sendung „Ketchup“ den sächsischen Landesmedienpreis erhalten. Die Älteren werden sich erinnern.
Stefan Schramm: Der MDR hat uns diese Chance gegeben und sehr viel freie Hand gelassen. Das war ein großes Glück für uns. Wir konnten Künstler wie Max Mutzke, Hartmut Engler von Pur und Michael Patrick Kelly kennenlernen und haben zu einigen noch guten Kontakt. Dass das Aus für die Sendung ausgerechnet jetzt kommt, ist schon etwas unglücklich.

Ihr wisst doch jetzt, wie Fernsehen geht und könntet doch eure eigenen Sendungen im Internet veröffentlichen.
Christoph Walther: Ja und unsere eigenen Corona-Videos aufnehmen, wie es jetzt viele machen. Aber das ist nicht unser Ding. Wir machen keine Witze über Corona. Zumindest nicht bewusst oder geplant. Höchstens wenn sich eine Situation während einer Vorstellung ergibt.
Ihr habt diese Woche wieder mit den ersten Vorstellungen angefangen. Wie läuft die neue Saison an?
Christoph Walther: Es sind momentan weniger Vorstellungen und dann auch noch vor weniger Publikum. Gestern sollten wir vor 200 Leuten auftreten. Rein durften aber nur 80.
Stefan Schramm: Zum Glück können wir jetzt vieles aufholen, so blöd das klingt. Ich habe eher Bammel vorm Oktober, November und Dezember.
Christoph Walther: Wenn ich andere Kollegen höre, geht es uns noch verhältnismäßig gut. Aber irgendwann sind die Reserven aufgebraucht. Darüber hinaus mache ich mir schon so meine Gedanken. Kunst ist doch sowas wie der Kitt der Gesellschaft. Man betrachtet und benennt Dinge kritisch - die einen auf die ernste Weise, die anderen auf die lustige Weise. Dann frag ich mich: Was macht das mit einer Gesellschaft, wenn Kunst und Kultur auf die Dauer nicht stattfinden können?
Gespräch: Jörg Richter