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Röderau-Süd bringt nur Strohfeuer

Wirtschaftliche Flaute und der Rotstift bei Steuersparmodellen bremsen den Immobilienhandel im Landkreis Riesa-Großenhain. Der Jahresumsatz auf diesem Sektor hat sich seit 1995 mit 50 Millionen Euro mehr als halbiert. Insgesamt wurden seitdem über 70 Millionen Quadratmeter Land für 432 Millionen Euro (ohne Riesa) im Kreis verkauft.

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Von Reiner Hanke

„Eine Immobilie ist eine gute Geldanlage.“ An diesem Grundsatz hält Harry Bönisch trotz Immobilienflaute fest. Er ist Chefgutachter für den Landkreis Riesa-Großenhain, wenn es um Grundstückswerte geht. Riesa ausgenommen. Allerdings will er lieber nicht garantieren, dass die hohen Preise von Mitte der 90er Jahre noch einmal erzielt werden können.

Derzeit, so der Riesaer Amtsleiter für die Stadtentwicklung, Frank Keßler, stagnieren sowohl die Preise fürs eigene Heim als auch der Verkauf. Allerdings auf niedrigerem Niveau als Mitte der 90er Jahre. Beim Eigenheimneubau in der Stadt sind die Zahlen sogar um ein gutes Drittel gesunken, von 33 Häusle im Jahr 1995 auf 20 im Vorjahr. Das drückt auf die Baupreise, wenn auch nicht so drastisch wie vielleicht vermutet. Zwischen fünf und zehn Prozent gingen sie in Riesa herunter. Kreisgutachter Harry Bönisch schätzt den Durchschnittspreis fürs neue Einfamilienhaus auf 155 000 Euro.

Eine Bauwelle löst das nicht aus. Vor allem die Wirtschaftsflaute hat dafür gesorgt, „dass der Bedarf sinkt“, sagt Bönisch. Chronischer Einwohnerschwund und Geldmangel, so Keßler, tun das Übrige. Trotzdem macht Keßler als intensiver Beobachter des Marktes gerade jetzt ein leichte Veränderung aus: „Die Preise beginnen etwas anzuziehen.“ Bönisch aus Großenhainer Sicht vermutet allerdings nur ein lokales Strohfeuer, ausgelöst durch die Umsiedlungen von Röderau-Süd.

Besonders plastisch lässt sich die Dramatik der Lage beim Wohneigentum beschreiben. Hier kommt ein weiterer negativer Faktor hinzu: Steuersparmodelle wurden abgeschafft. So ist der Einbruch kreisweit dramatisch. Wurden 1995 noch 418 Eigentumswohnungen unter die Leute gebracht, sackte die Zahl gut fünf Jahre später auf 56, und eine Belebung ist kaum in Sicht. Die Nachfrage in Riesa sei so gut wie Null, so Keßler. Das schlägt auch auf die Preise. Mussten im Landkreis noch 1995 bis zu 1 800 Euro pro Quadratmeter hingeblättert werden, liegt die Obergrenze heute bei 1 550 Euro.

„Relativ stabil sind in den vergangen Jahren die Bodenpreise geblieben“, schätzt Harry Bönisch ein. Wobei sich auch Riesa-Großenhain dem Preisverfall nicht ganz entziehen kann. Zwischen 10 und 15 Prozent ging es stellenweise bergab. Beispiel Leckwitz. Dort sackten die Bodenpreise von 46 auf 35 bis 40 Euro pro Quadratmeter ab. Auch in Grödel, Görzig und Lampertswalde wohnt man preiswert. In Riesa ist das Bild differenziert. An der Hauptstraße kann der Quadratmeter bis zu 135 Euro kosten. Dagegen sind die Preise in wenig bevorzugten Lagen bis auf 15 Euro abgebröckelt. In Böhlen und Gostewitz zum Beispiel. Auch in Merzdorf oder an der List- und Lommatzscher Straße sind 95er Preise illusorisch, so Frank Keßler ohne genau sagen zu wollen, wie groß der Wertverfall ist.

Mal von Riesas Boulevard abgesehen, ist es überraschend, wo der Riesa-Großenhainer am teuersten wohnt: im Süden der Großenhainer Ecke. Kleinnaundorf ist Spitzenreiter. Dort sind 64 Euro für den Quadratmeter fällig. Dennoch ist das kein Vergleich zu Meißen oder der Radebeuler Region. Mit diesem Trumpf locken die Gemeinden gerade von dort viele Häuslebauer an. Entscheidend ist dann vor allem Lage und Beliebtheit eines Standortes. So kann in Brockwitz, nur einen Steinwurf vom preisgünstigen Lampertswalde entfernt, der Quadratmeter schon 50 Euro kosten.

Statt Quantität zählt bei sinkender Nachfrage immer mehr die Qualität. An 70 Neubaustandorten quer durch den Kreis gebe es freie Bauplätze, so Bönisch. Neue großflächige Baugebiete seien deshalb völlig abwegig. Dem folgt mittlerweile auch Riesa. Nachdem bisher eine wesentlich offensivere Politik gefahren wurde, will sich die Stadt angesichts der negativen Bevölkerungsentwicklung und Finanzschwäche nur noch auf „kleinteilige Standorte“ in Edellage konzentrieren.