Von Matthias Klaus
Manfred Neumann macht sich lang. Ganz lang. „Alles Übungssache“, sagt er und ruckelt sich auf seinem Gefährt zurecht. Entfernt erinnert das an einen roten Plastik-Kinderschlitten. Kinderkram ist es allerdings nicht, mit dem der Polizeihauptmeister gerade zu tun hat. Er inspiziert einen Holztransporter von unten, rollt dabei ganz langsam von vorn nach hinten unter dem Gefährt durch und wieder zurück, stoppt, leuchtet mit einer Taschenlampe in dunkle Ecken des Fahrzeuges und nimmt schließlich einen Hammer zu Hilfe, pickert damit auf dem Metall des Anhängers herum. „Ahja“, tönt seine Stimme dumpf unter dem tonnenschweren Gefährt hervor. Dann folgt ein „Oha“ und schließlich ein „Chef, Problem!“ Das ist an den Fahrer des Transporters gerichtet. Polizist Neumann, wieder in aufrechter Position, schüttelt den Kopf. „Sieht nicht gut aus“, sagt er.
Donnerstagnachmittag zwischen den Bundesstraßen 178 und 6 in Löbau. Das Autobahnpolizeirevier der Direktion Görlitz hat eine Kontrollstelle eingerichtet. Da wird nicht nur nach Führerschein und Zulassung gefragt. Da geht es um Fahraufträge, um ein digitales Aufzeichnungsgerät, das die Route, Lenkzeiten und anderes registriert, das von der Autobahnpolizei ausgelesen werden kann. Hinzu kommt noch eine mobile Waage, so sie gerade mit vor Ort ist, um technische Kontrollen zu verwirklichen. Haenni heißt das Gerät, kostet etwa 40 000 Euro und besteht aus mehreren auf dem Boden ausgebreiteten Gittern und einem etwa halben Meter breiten Metallband, der eigentlichen Waage.
Gewogen und zu schwer befunden
Diese Waage kommt bei solchen Kontrollen immer wieder zum Einsatz, nicht nur in Löbau, sondern natürlich auch auf der Bundesautobahn 4. Die Anschlussstellen Kodersdorf und Ludwigsdorf, aber auch der Parkplatz „Löbauer Wasser“ sind begehrte Punkte, an denen sich die Autobahnpolizei postiert und fündig wird.
In den vergangenen Wochen und Monaten haben immer wieder überladene Holztransporter Schlagzeilen gemacht. „Aber wir schauen bei unseren Kontrollen nicht speziell auf die Ladung“, schildert Frank Wobst. Er ist der Leiter des Autobahnpolizeireviers. Gewogen werde generell alles, was an großen Lkw unterwegs ist. „Natürlich haben unsere Leute inzwischen einen Blick dafür, ob schon rein äußerlich ein Lkw nicht vorschriftsmäßig unterwegs sein könnte“, so Wobst. Eine ausgebeulte Plane, eine schiefe Straßenlage – nur zwei Anzeichen. Aus welchem Land der Brummi kommt, spiele bei der Auswahl keine Rolle.
Zwei Kollegen der Polizei Decin kontrollieren diesmal in Löbau mit. Petr John unterhält sich gerade mit dem ein wenig unglücklich dreinschauenden Fahrer des Holztransporters. Der fährt für eine Rumburger Firma, kommt gerade aus Dolni Poustevna, Niedereinseidel. Fast jeden Tag, dolmetscht der tschechische Polizist, sei der Transporter unterwegs. „Jetzt gerade will er nach Kodersdorf“, sagt Petr John. So nah das auch klingt, so weit rückt es zumindest in diesem Moment in die Ferne. Manfred Neumann gibt eine erste vorsichtige Diagnose nach seiner Fahrt unter dem Fahrzeug ab. „Hilfsrahmen gerissen, eine Achse auf einer Seite lose“, sagt er. Immerhin, die Bremsen scheinen gleichmäßig zu greifen. Alle Bremsscheiben sind gleich warm, ergibt ein Infrarottest. Ob der Rumburger Holzlaster weiterfahren darf, steht in den Sternen. Er muss jetzt erst einmal auf die Brummi-Waage.
15 Experten gehören zum hiesigen Autobahnpolizeirevier. „Mit Kontrollen, der Waage sind sie nahezu täglich unterwegs“, schildert Chef Frank Wobst. Ausnahmen gibt’s am Wochenende, wenn keine Lkw unterwegs sein dürfen. Eine Umstrukturierung im vergangenen Jahr macht es möglich, dass die Autobahnpolizisten auch abseits der A4 unterwegs sein können. „Wir kontrollieren von Weißwasser bis Zittau und Radeberg“, so Wobst. Wobei es nicht immer einfach sei, eine Kontrollstelle mit Waage abseits der Autobahnparkplätze einzurichten. Denn die Technik benötigt Platz, außerdem müssen die kontrollierten Brummis abgestellt werden können. Löbau, die frühere B 178-B 6-Verbindung ist eine der wenigen Möglichkeiten, in Hochkirch gibt es eine weitere.
„Vor, halt, nee, zurück.“ Falko Schölzel dirigiert lautstark den 40-Tonnen-Holzlaster vor seinem Einsatzfahrzeug hin und her. Der Leiter des Verkehrsüberwachungsdienstes in der Polizeidirektion Görlitz sitzt heute selbst hinter dem Laptop und schaut sich die Daten an, die die Waage Haenni ihm gerade liefert. Der Laster wird gründlich gewogen, statisch. Das heißt, jede Achse muss einmal vor und zurück auf die Waage. „Normalerweise reichte es, wenn die Lkw im Schritttempo darüberfahren. Das ist eine dynamische Messung, eine grobe Orientierung. Aber in diesem Fall haben wir es mit Messungen zu tun, die vor Gericht verwertbar sein müssen“, erläutert Falko Schölzel. Und runzelt die Stirn: Die erste Achse ist schon mit 274 Kilo überladen. Insgesamt werden es am Ende 3,5 Tonnen sein. Das bedeutet: Der Holzlaster aus Tschechien hat nicht nur technische Mängel, sondern auch zuviel geladen: Fast neun Prozent liegt das Gewicht über dem Limit.
Sechs Laster kontrolliert die Autobahnpolizei an diesem Tag in Löbau. Nur einer ist „sauber“. Ein Abfalltransporter ist nicht korrekt als solcher gekennzeichnet, andere Sattelzüge werden wegen Mängeln an der Ladung beanstandet. Ein krasser Fall: Ein Lkw hat 24 Tonnen Papier geladen, die nicht ausreichend festgezurrt sind. Nur neun statt der geforderten 50 Spanngurte kamen zum Einsatz. Manfred Neumann fährt derweil schon mal den Einsatzwagen vor. Er begleitet den Holztransporter zur Niederlassung der Abschleppfirma Dussa in Löbau. Dort wird der Sattelzug gründlich durchgecheckt. Am Ende muss ein technischer Sachverständiger ran. Rahmen, Bremse, Achsaufhängungen – es gibt mehrere Problemzonen. Für den Fahrer ist die Reise nach Kodersdorf in Löbau zu Ende. Der Sattelanhänger ist als verkehrsunsicher eingestuft und stillgelegt. Die Zugmaschine hat „erhebliche Mängel“, die Weiterfahrt wird untersagt. Frank Wobst zuckt mit den Schultern. „Ein eher kleiner Fisch“, sagt er.
In Königsbrück wird am selben Tag ein Holzlaster gestoppt, der über 20 Prozent zu viel auf der Ladefläche hat.