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Rollstuhlfahrer und Blinde werden oft einfach vergessen

Niesky. Der Beirat für Behinderte im NOL will eine feste Stelle für eine Beauftragte im künftigen neuen Kreis.

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Von Annett Preuß

Der Behindertenbeirat im Niederschlesischen Oberlausitzkreis (NOL) will die Lobby behinderter Menschen mit der Kreisreform stärken. „Strukturen wie im Nachbarlandkreis Löbau-Zittau haben sich bewährt“, sagt Behindertenbeauftragte Regine Kleicke. Dort gibt es für das Amt eine Planstelle. Die NOL-Beauftragte hingegen arbeitet ehrenamtlich – wie zuvor zehn Jahre ihre Vorgängerin. „Allein im Ehrenamt werden die Aufgaben künftig nicht zu bewältigen sein.“

Die Nieskyerin verweist darauf, dass zurzeit 22503 schwerbehinderte Menschen in den Kreisen Löbau-Zittau und NOL sowie in Görlitz leben. „Nur die werden von der Statistik erfasst.“ Die Zahl der Menschen mit Behinderungen sei jedoch viel höher und nehme mit der alternden Bevölkerung zu. Dabei Mittler zu Behörden, Arbeitgebern, Investoren und Hilfseinrichtungen zu sein, sei Aufgabe des zurzeit 20-köpfigen Beirates, sagt Regine Kleicke. Deshalb ist eine wohnortnahe Tätigkeit des künftigen Beirates auch ein Punkt in einem Positionspapier, mit dem der Beirat die Kommunalpolitiker gewinnen will.

„Wir brauchen Ansprechpartner vor Ort“, sagt auch Brigitte Schönsee aus Weißwasser. Sie ist Mitglied im Beirat und selbst stark sehbehindert. Randgebiete im Großkreis dürften bei der Einrichtung von Außenstellen wichtiger Ämter nicht vergessen werden: „Nicht jeder kann mit seinem Anliegen einen Monat auf die nächste Sprechstunde warten.“ Lange Wege seien für viele Behinderte mit unzumutbaren Strapazen verbunden.

Als Mitglied in der Arbeitsgruppe Bauen macht sich Brigitte Schönsee deshalb stark für die barrierefreie Gestaltung von Wegen, Plätzen und Gebäuden. In Weißwasser gebe es gute Beispiele. Umso unverständlicher ist ihr, dass Behinderte bei dem vor zwei Jahren erbauten Busbahnhof in Niesky vergessen wurden. „Rollstuhlfahrer, Sehbehinderte und Blinde können ihn nur mit Begleitperson oder fremder Hilfe nutzen“, sagt der Bausachverständige des Beirates, Bauingenieur Klaus Kleicke. Aktuellstes Beispiel sei der Ausbau der Muskauer Straße in Niesky: „Im Gehwegbereich wird auf Blindenleitstreifen und speziell gepflasterte Aufmerksamkeitsfelder verzichtet – obwohl wir deshalb bei der Stadt vorgesprochen haben.“ Doch die Messen seien wohl gesungen. „Dabei beträgt der Mehraufwand für behindertengerechtes Bauen nur 0,18 Prozent – wenn von vornherein daran gedacht wird“, sagt er. Nachträgliche Einbauten würden teurer. Roselies Funke aus Weigersdorf ist Lehrerin an der Comenius-Mittelschule Mücka. Mitglied im Beirat sei sie hauptsächlich wegen zweier behinderter Schüler geworden, die dort lernen. „Hier kann ich auf kurzem Weg viel klären.“ Wer selbst nicht betroffen sei, wisse nicht, was es heißt, selbstbestimmt leben zu wollen.

Barrieren in den Köpfen der Verantwortlichen einzureißen, werde deshalb auch eine Hauptaufgabe des neuen Beirats sein, sagt Regine Kleicke. Sie hofft, dass die drei Behindertenbeauftragten in der Arbeitsgruppe Soziales des Lenkungsausschusses gehört werden. „So können schlüssige Konzepte erarbeitet werden“, ist sie überzeugt.