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Romeo nimmt Frauen mit mieser Mitleidstour aus

Mit falschen Versprechen ergaunert ein Betrüger fast 8 000 Euro von fünf Opfern – in wenigen Monaten.

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Von Alexander Schneider

Reden kann er, das ist keine Frage. „Ich will auch endlich mal wissen, warum ich manchmal so ein Arschloch bin“, sagt Steffen Lichtenberger zum Richter. Der Angeklagte begründet damit, warum er nun im Gefängnis eine Sozialtherapie begonnen habe. Lichtenberger ist kein Hüne, umwerfend sieht er auch nicht aus. 30 Jahre alt, etwa 1,70 Meter groß, kurzes braunes Haar, eher schmächtig. Fast hing er am starken Arm des Justizwachtmeisters, der ihn am Montagvormittag in den Gerichtssaal brachte. Seit 2009 hat der gelernte Autoschlosser nur fünf Monate in Freiheit verbracht. In dieser Zeit soll er vier Frauen so von sich beeindruckt haben, dass sie ihm sofort mit ihrem Geld aushalfen. Und das nicht zu knapp. Wie anders kann der Mann das geschafft haben, wenn nicht mit dem Talent, seine Opfer zu bequatschen, ohne dabei rot zu werden?

Wegen Betruges in 28 Fällen steht er nun vor dem Amtsgericht Dresden. Fast 8 000 Euro hat er den Frauen aus der Tasche geleiert. Die Masche war dabei stets dieselbe. Er lernte die Frauen auf Single-Börsen im Internet kennen, schnell kam es zu den ersten Treffen. Er sprach von Beziehung, log, dass er in der Entwicklung der VW Manufaktur arbeite, und pumpte die Frauen ohne jede Scham an. Staatsanwältin Barbara Bruske zählt in ihrer Anklage jeden einzelnen Fall auf.

Eine Jenny B. aus Dresden erleichterte er schon beim zweiten Treffen im Juli 2012 um 250 Euro, angeblich für eine Autoreparatur. Elfmal hat sie ihm Geld gegeben, mal um „Schulden bei der Ex-Freundin“ zu zahlen (550 Euro), mal für den „Auszug bei der Ex“ (700 Euro), mal für eine Reise nach Rumänien (250 Euro). Richtig schäbig wurde es, als er der gleichaltrigen Frau vorgaukelte, er leide an einem Hirntumor und brauche dringend Geld für Medikamente, das seine Krankenkasse noch nicht gezahlt habe. Wieder gab Jenny ihm 50 Euro. Insgesamt hat sie ihrem eloquenten Romeo fast 3 000 Euro vermacht. Parallel zu Jenny bandelte Lichtenberger auch mit einer Kornelia an, dann mit einer Sandra und im November 2012 auch noch mit einer Yvonne.

Seine Ausreden für die Geldnot waren immer gleich. Oder er ergriff eine günstige Gelegenheit wie bei Yvonne: Sie überwies ihm 1 300 Euro, weil Lichtenberger sagte, er könne ihr eine geplante Schiffsreise nach Norwegen viel günstiger besorgen. Ob die Reise dann ins Wasser fiel, ist nicht bekannt. Lichtenberger jedenfalls hat diese schöne Summe für sich selbst verwendet.

Eine fünfte Frau betrog der Angeklagte bereits Anfang 2011, als er noch in Berlin lebte, besser: Er war Freigänger, weil er dort eine Haftstrafe verbüßte. Laut Anklage hat er einer Berlinerin neben seinem „Hirntumor“ vom angeblichen Tod seines Vaters berichtet und sie um 450 Euro für einen Grabstein angebettelt.

Staatsanwältin Bruske sagt, Lichtenberger wurde auch schon in seiner Geburtsstadt Heidelberg für identische Betrügereien verurteilt. 2009 hat er 20 Monate dafür bekommen und abgesessen. Geholfen hat es nicht. Nach seiner Entlassung im Juni 2012 begannen sofort die neuen Betrügereien – Lichtenberger stand noch unter Bewährung. Ende November wurde er wieder verhaftet, nachdem er in Dresden ein neunjähriges Mädchen missbrauchte: Er hatte sich von dem Kind, der Tochter einer weiteren seiner vielen Freundinnen, oral befriedigen lassen. Wegen schweren Kindesmissbrauchs wurde er dafür im Mai 2013 am Amtsgericht Dresden zu drei Jahren Haft verurteilt.

Und nun also noch Dutzende Betrügereien. Richter Maier kündigt eine Verfahrensabsprache an: Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung haben vereinbart, dass Lichtenberger bei einem vollen Geständnis, das ohne Befragung der fünf geschädigten Zeuginnen auskommt, mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren rechnen kann – für den genannten Missbrauch und alle Betrügereien. Ein Angebot, bei dem man wohl nicht nachdenken muss. Lichtenberger überlässt das Reden seiner Verteidigerin Claudia Riemer aus Leipzig. Sie hat ihren Mandanten vorbereitet. Zu den Taten sagt Lichtenberger nur: „Ja, das stimmt.“ Und später sagt er den Satz mit dem Arschloch. Der klingt gut in Richterohren.

Wie genau der Betrüger die Frauen um den Finger gewickelt hat, lässt sich aber nur ahnen. Maier verliest die Aussage von Jenny B. Die sagte, Lichtenberger sei sehr offen gewesen, habe schnell selbst seine sexuellen Vorlieben angesprochen und so getan, als wenn sie ohnehin keine Beziehung mit ihm anstrebe. „Vertraust du mir nicht?“, habe er sich etwa entrüstet, als Jenny sich gewundert habe, warum er schon wieder Geld forderte. Sie habe gleich geahnt, dass etwas nicht stimmte. Sie war nie in seiner Wohnung („wegen seiner Ex“), hatte aber Sex mit ihm in ihrem Auto.

Es bleibt bei der Verfahrensabsprache. Lichtenberger bekommt vier Jahre aufgebrummt. „Ganz mies“ und „dreckig“ nennt Richter Maier die Art und Weise, wie er die Geschädigten ausgenommen hat. „Die Frauen haben ihm den Betrug auch sehr leicht gemacht“, sagt Maier aber auch. „Sex beim ersten Treffen, Geld beim zweiten – was geht im Kopf dieser Frauen vor?“