Von Rolf Ullmann
Die jungen Artisten sind schon aufgeregt und warten auf ihren Auftritt im Zirkuszelt vor dem Mehrgenerationenhaus in Rothenburg. Doch noch müssen sie sich einige Minuten gedulden. Denn Heike Böhm, die Bürgermeisterin von Rothenburg, und Landrat Bernd Lange unterzeichnen zuvor eine Vereinbarung zwischen dem Landkreis Görlitz und der Neißestadt über die Förderung der Nachbarschaftssprache Polnisch. Die östlichste Kleinstadt Deutschlands wird zum Referenzstandort und schlüpft damit in die Rolle eines Vorreiters auf diesem wichtigen Gebiet der Bildung.
Nach der Stadt Weißwasser als Referenzstandort für die Energiebildung ist Rothenburg nun die zweite Kommune, die für ihre bisherigen Aktivitäten auf dem Gebiet der Sprachbildung eine solche hohe Anerkennung erfährt. Seit mehreren Jahren steht das Erlernen der polnischen Sprache in den Kindergärten, in der Grundschule sowie der Oberschule in Rothenburg bereits hoch im Kurs. Diese Aktivitäten sollen nun zusammengefasst, gebündelt und miteinander vernetzt werden. Bürgermeisterin Heike Böhm formuliert eine klare Zielstellung: „Wir wollen erreichen, dass jeder der die polnische Sprache erlernen möchte, dies auch in den verschiedensten Einrichtungen sowie in allen Altersgruppen tun kann“.
Rothenburg hat durch seine grenznahe Lage und vielfältige Verbindungen zu den Partnerstädten Czerwinsk und Piensk bereits sehr gute Erfahrungen in der grenzüberschreitenden Bildungsarbeit gemacht. Dies wurde durch die PONTES-Agentur / Servicestelle Bildung im Landkreis Görlitz erkannt und im Konzept für die künftige Entwicklung von Referenzstandorten festgeschrieben. Ein solches intensives Miteinander über Ländergrenzen hinweg wünscht sich Landrat Bernd Lange auch an anderen Orten und Stellen im Landkreis. „Die wichtigste Aufgabe besteht nun darin die vorhandenen Kompetenzen in der Sprachbildung zueinander zu bringen und in einem Netzwerk zu vereinigen,“ sagt er.
Wie wichtig es ist die Sprache des jeweils anderen zu beherrschen, haben nicht zuletzt die Teilnehmer an der dritten Deutsch-polnischen Zirkuswoche in Rothenburg gespürt. Elf deutsche und 16 polnische Kinder üben dabei eine Woche lang unter der fachkundigen Anleitung zweier Zirkuspädagogen, wie man auf Stelzen läuft, mit dem Diabolo spielt und auf der Rola-Bola balanciert. In diesem Jahr wirken zum ersten Mal auch sechs Mädchen und Jungen aus asylsuchenden Familien an der Zirkuswoche mit.
Die aus Tschetschenien und Libyen stammenden Familien leben seit einigen Wochen in Rothenburg. Der oft gebrauchte Begriff „multikulturell“ erfährt hier einen sichtbaren Ausdruck. Die Kinder sind die ersten, die sich während der Zirkuswoche im Miteinander begegnet sind und gemeinsam auf ein Ziel, nämlich ihren Auftritt im Zirkuszelt, hingearbeitet haben. „Der große Aufwand, der notwendig ist um eine solche Woche zu organisieren, hat sich auch diesmal gelohnt,“ sagt Thomas Kucharek, Sozialarbeiter im Mehrgenerationenhaus ein. Ellen Theresa Rehm und er sind gemeinsam für das anspruchsvolle internationale Projekt verantwortlich. Sie haben viel Wert darauf gelegt, dass die Kinder nicht nur gemeinsam üben, sondern auch über viel Zeit und die Möglichkeiten verfügen, sich kennen zu lernen.