Von Ingo Kramer
Auf reichlich 100 Görlitzer kommt derzeit ein Flüchtling. Das geht aus den neuen Zahlen hervor, die jetzt im Verwaltungsausschuss bekannt wurden. Demnach leben in Görlitz derzeit etwa 500 Gäste, darunter 150 anerkannte und 213 nicht anerkannte Flüchtlinge in Wohnungen sowie 136 Menschen im Erstaufnahmelager am Flugplatz. Die 363 Fremden, die in Wohnungen leben, sind dabei fast ausnahmslos Familien, keine alleinstehenden Männer. 60 Prozent sind Kinder und Jugendliche. Diejenigen, die nicht anerkannt sind, haben aber kein Recht auf Sprachkurse. Sie dürfen auch nicht in Deutschland arbeiten.
Um ihnen dennoch zu helfen, hat sich im Winter das Görlitzer Willkommensbündnis gegründet. „Wir sind derzeit 179 Mitglieder im Forum, darunter 117 Aktive, die auch zu Treffen kommen“, sagt Koordinatorin Romy Wiesner. Wie in jedem ehrenamtlichen Verein oder Bündnis sind die Mitglieder in unterschiedlichem Maß aktiv. „Wir haben 30 bis 40 verbindliche Mitmacher“, so Romy Wiesner.
Das Willkommensbündnis hat drei Arbeitsgruppen gebildet. Die eine organisiert Aktionen, die zweite übernimmt die Öffentlichkeitsarbeit und die AG Paten hält den direkten Kontakt zu den Flüchtlingen und begleitet sie im Alltag. „Es gibt viele Möglichkeiten, uns zu unterstützen“, sagt die Koordinatorin. Patenschaften, Übersetzer, Schulbegleiter, Unterstützer bei bürokratischen Hürden und ehrenamtliche Deutschlehrer seien nur einige Wege. Ursprünglich wollte die Volkshochschule Deutschkurse anbieten, aber sie bekommt die Kurse derzeit nicht finanziert.
„Im Ehrenamt stoßen wir langsam an unsere Grenzen“, so Romy Wiesner. Nicht jeder, der sich engagieren möchte, hat immer genug Zeit. Außerdem muss die Arbeit anders strukturiert werden. Anfeindungen aus der Bevölkerung und Hetze im Internet machen es den Aktiven auch nicht leichter. „Und es gibt Sprachbarrieren“, sagt sie.
CDU-Stadtrat Helmut Goltz schlägt vor, dass ältere Bürger unentgeltliche Sprachkurse geben könnten: „Woanders funktioniert das auch.“ Das Bündnis ist an dem Thema dran, aber nach Auskunft von Romy Wiesner brauchen Ältere erst einmal eine Anleitung: „Sie haben natürlich Bammel.“ Ganz generell aber lobt Goltz die Arbeit des Bündnisses: „Die Ruhe und Unaufgeregtheit in der Arbeit gefällt mir.“
Zu den Aktivsten im Willkommensbündnis gehört Joachim Trauboth – und zu denen, die am lautesten vernehmbar sind. Er greift oft in Diskussionen auf Facebook und anderen Plattformen ein. Und er bot sich sofort als Pressesprecher an, als sich das Willkommensbündnis formierte. Diese Funktion hat Trauboth nun wieder aufgegeben. Nicht, weil er Anfeindungen ausgesetzt war, wie er betont. Er will ohne diese Funktion nicht leiser sein, sondern mindestens so laut und pointiert wie bisher. „Ich habe eingesehen, dass das Bündnis politisch neutral sein muss, weil hier Menschen ganz unterschiedlicher politischer Neigung zusammenarbeiten“, sagt Trauboth. Weil er aber nicht immer nur zahm sein will, tritt er künftig lieber als Privatperson an die Öffentlichkeit. Dem Bündnis bleiben er und seine Frau Anne weiterhin verbunden, versichert er. (mit SZ/fs)
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