Lilly möchte ein Leckerli. „Wenn Besucher kommen, wartet sie schon darauf“, raunt Karsten Gust und drückt dem SZ-Schreiberling einen Brocken Hundekuchen in die Hand. Na dann, Lilly, lass es Dir schmecken! ganz vorsichtig nimmt die Collie-Dame das Schmeckerchen von der Handfläche und wedelt mit dem Schwanz. Fürs erste ist sie zufrieden.
Lilly hat seit vergangenem Jahr ihen Platz im Haus des wohl bekanntesten Weihnachtsmannes rund um Löbauer Berg und Kottmar bezogen. Sie ist Nachfolgerin Santa Claus’, ebenfalls ein Collie. Mit 13 starb der Hund im vergangenen Jahr, die Trauer war groß. Dass er wegen dieses Schicksalsschlages sein Amt als Weihnachtsmann aufgegeben hat, soweit will Karsten Gust nicht gehen. Vielleicht war es einfach nur ein weiteres Mosaiksteinchen, dass ihn zu der Entscheidung brachte: 2011 gibt es keinen Weihnachtsmann von der Dorfstraße in Kottmarsdorf. Was er damit anrichtete, überrascht den altgedienten Rupperch allerdings. „Fast täglich kommen Karten, Anschrift ,An den Weihnachtsmann’“, erzählt Karsten Gust. Stammkunden fragen nach, ob er nicht doch eine Auszeit von der Auszeit nehmen könnte und am Heiligen Abend zur Bescherung kommt. E-Mails, Briefe, Besuche – bei Karsten Gust haben sie keine Chance. „Klar geht das runter wie Öl“, sagt er. Selbst sein Kostüm wollte ein Interessent borgen – für 200 Euro auf Kaution. Das erschien Karsten Gust unannehmbar. Schließlich sei das Weihnachtsmann-Outfit maßgeschneidert, der Bart extra angepasst. „Und die Stiefel habe ich bei der NVA rausgeschmuggelt“, lacht er.
Es gibt eben keine Ausnahmen. „Was passiert, wenn ich am 24. mit dem Kostüm aus dem Haus gehe? Dann steht am 27. in der Bild-Zeitung: Weihnachtsmann geteert und gefedert. Denn wenn ich eine Ausnahme mache, gibt es großen Ärger“, schmunzelt Karsten Gust. Nein, das wünscht er sich nicht, sondern ein ganz gemütliches Fest, ohne Hektik, ohne Stress. „Ich werde wahrscheinlich einen Spaziergang durchs Dorf machen, mit Frau und Hund“, sagt der Weihnachtsmann.
Am 25. Dezember 2010 hat Karsten Gust sein Weihnachtsmannkostüm an den Nagel gehangen und seitdem nicht wieder angezogen. Nicht zu Sonder-Sommeraktionen, nicht der jetzigen Vorweihnachtszeit. Sogar seine Internetseite hatte er gekündigt. „Allerdings bekam ich dann die Mitteilung, dass es vier Interessenten für die Adresse gibt. Da habe ich sie dann doch lieber behalten“, sagt Karsten Gust.
Es ist vor allem seine Gesundheit, wegen der er eine Auszeit vom stressigen Weihnachtsmanndasein nimmt. Zwei Schlaganfälle hat der Kottmarsdorfer hinter sich. da war für ihn klar: kürzer treten!
Und: Die Auftritte seinen in den vergangenen Jahren nicht immer so gelaufen, wie er sich Karsten Gust vorstellte. „In manchen Einrichtungen, in denen ich eingeladen war, ging es nur um Massenabfertigung. Das ist nicht mein Ding“, erzählt er. Und: „Mir wurde damit Weihnachten regelrecht vergrault.“ Wenn beispielsweise in einer Einrichtung Geschenke fehlten hieß es: Der Weihnachtsmann hat sie im Schnee vergessen. Das ging Karsten Gust dann schon gegen die Ruprecht-Ehre.
Trotz allem: Ein Comeback will der Weihnachtsmann aus Kottmarsdorf keinesfalls ausschließen. „Wenn ich wieder den Weihnachtsmann mache, muss sich Einiges ändern“, sagt Karsten Gust. Er möchte dann die Spielregeln aufstellen – unter anderem auch finanzielle. „Das heißt, es wird einen Grundpreis geben. Sonderwünsche kosten extra“, schildert er. Und: Karsten Gust möchte sich seine Auftrittsorte künftig aussuchen, wenn sie ihm nicht behagen, auch ablehnen.
Seit über 22 Jahren ist Weihnachtsmann Gust nun im Geschäft. Ob es weitergeht, wird sich am 15. September 2012 entscheiden. „Dann sind es noch 100 Tage bis Weihnachten“, sagt er. Fast ein Vierteljahrhundert als Weihnachtsmann – Gust hat viele lustige, aber auch nachdenkliche Situationen erlebt. Er möchte sie in einem Buch verewigen. „Ich suche nun jemanden, der es schreibt“, sagt er. Karsten Gust selbst möchte dies nicht tun. Kein Talent, lacht der Weihnachtsmann. Collie Lilly stubst ihn mit der Nase an: Nun gib schon noch ein Leckerli!