Von Peter Anderson
„Meißen hat Glück gehabt“, sagt Florian Naumann, Leiter des Referats Altlasten im Sächsischen Umweltfachamt Radebeul. Bis auf einige Kasernen blieb der Kreis von größeren Stützpunkten der Roten Armee verschont. Riesa-Großenhain wurde seine lange militärische Tradition zum Verhängnis.
Bis in die Zeit August des Starken lässt sich die Geschichte des Übungsplatzes Zeithain zurückverfolgen. Während des Ersten Weltkrieges begann die sächsische Flieger-Ersatz-Abteilung auf dem Großenhainer Flugplatz auszubilden. Rund fünf Prozent der Gesamtfläche des Landkreises – das entspricht einer Fläche von 40 Quadratkilometern – wurden bis 1993 für Armeezwecke genutzt.
„In beiden Landkreisen haben wir mit der Sanierung der Militärgelände gute Fortschritte gemacht“, so Naumann. Bis vor drei Jahren gab es dafür das staatliche Finanzierungsprogramm Konver. Hinzu kamen Eigenateile der Gemeinden und Fördermittel des Arbeitsamtes. Seit dem Auslaufen von Konver teilen sich Kommunen, Land und Bund in die Kosten für die Beseitigung der Altlasten.
Großenhain
Es war eine letzte logistische Meisterleistung der Russen: Am 22. März 1993 traten 36 MiG-Jagdbomber und Übungsmaschinen vom Flugplatz Großenhain aus mit ihrem Finsterwalder Schwesterregiment den Heimflug an.
Als weniger meisterlich erwies sich, was die Untersuchung des Geländes danach zu Tage förderte. Öl war jahrzehntelang aus leckenden Fässern im Erdboden versickert. Die Treibstoffleitungen und Tanks taugten nur noch für den Schrott. Knapp zehn Millionen Euro gingen bisher für die Entgiftung drauf. Auf dem 100 Hektar großen Areal Nord harren weitere Bunker, Tanks und Leitungen ihrer Entsorgung.
Weiter vorn tragen die Investitionen erste Früchte: Das der Stadt gehörende, 40 Hektar große Gewerbegebiet auf dem früheren Flugplatzgelände ist zu gut einem Drittel ausgelastet. Statt an Kampfmaschinen wird in den Flugzeughallen u. a. Deutschlands neuem Männertraum geschraubt. In reichlich vier Sekunden schafft es der Roadster Yes! der Großenhainer Autobauer von Funke & Will auf 100 km/h.
Um Träume geht es auch auf dem für die Fliegerei genutzten Stück des Flugplatzes. Der Chef der Betreibergesellschaft, Michael Kilian, möchte europaweit in das Geschäft mit Business-Flügen einsteigen.
Meißen
Das Meißner Sorgenkind heißt Bohnitzsch. Zum dritten Mal soll Ende Juli das ehemalige Kasernengelände der Westgruppe zwangsversteigert werden. „Das letzte Gebot war einfach zu gering. Die Einnahmen hätten gerade mal für die Gerichtskosten gelangt“, sagt der Meißner Bauamtsleiter Steffen Wackwitz. Dem früheren Besitzer hatte der Zusammenbruch des Immobilienmarkts die Pläne für ein neues Wohngebiet vermasselt.
Für attraktiv hält Wackwitz den Standort Bohnitzsch dennoch. Als zukünftige Nutzung käme jedoch eher ein Gewerbegebiet als ein Wohnpark in Frage. In Sachsen fände sich kaum eine zweite so große und zusammenhängende Gewerbefläche. Immerhin 42 Hektar stehen zum Verkauf an.
Einen Haken hat die Sache dennoch: Bevor in Bohnitzsch eine große Industrieanlage entstehen könnte, müsste die Abrissbirne ran. Das verursacht Kosten und schreckt viele Investoren ab. Hinzu kommt: Niemand weiß genau, was sich im Boden des alten Militärgeländes alles versteckt. Plötzliche Schadstofffunde könnten hochfliegende Pläne schnell zu nichte machen. Wackwitz rechnet, dass noch fünf bis zehn Jahre ins Land gehen, bis eine wirklich zufriedenstellende Lösung für Bohnitzsch gefunden ist. „Manche Dinge brauchen etwas mehr Zeit. Das muss man akzeptieren.“
Zufriedener können die Meißner Stadtväter mit der Entwicklung der anderen beiden GUS-Liegenschaften sein. Auf dem Gelände der Zaschendorfer Jäger-Kaserne bekommt das Straßenbauamt in drei Jahren das Finanzamt zum Nachbarn. Die alte Panzerwerkstatt in der früheren Maschinenbaufirma „Imperial“ wich 2000 der neuen Berufsfachschule
Moritzburg
Das Gerücht war zu DDR-Zeiten in aller Munde. Im idyllischen Moritzburger Forst fährt die Rote Armee ihre Mittelstrecken-Raketen vom Typ SS 20 spazieren.
„Völliger Quatsch“, sagt der Moritzburger Forstamtsleiter Bernd Dankert. In Friedewald habe es lediglich einen Ausweich-Bunker für Führungskräfte gegeben, falls es den Offizieren anderswo zu gefährlich geworden wäre. Zu Übungszwecken sei auch geprobt worden, einen Verteidigungsring um den Bunker zu legen. Dabei kamen Flugabwehrraketen zum Einsatz. Die begründeten den Mythos von den Moritzburger Atomwaffen.
Mittlerweile ist Gras über die Sache gewachsen, im übertragenen, wie im wörtlichen Sinne. „Wer es nicht weiß, erkennt kaum noch was“, so Naumann. Förster Dankert hofft, dass sich auf den Bunkertrümmern einmal ordentlicher Wald entwickelt.
Radebeul
Was lange währt, wird gut. „Wir stehen kurz vor dem Abschluss eines Sanierungsvertrages mit dem Besitzer des alten Tanklagers in Radebeul-West“, sagt Naumann. Gebaut wurde die Anlage bereits vor dem Zweiten Weltkrieg. Nach Kriegsende füllte die Rote Armee hier ihr Benzin ab. Bis heute erinnert ein verfallener Wachturm an die Sowjetsoldaten. Nach der Wende erhielt der Alteigentümer das Grundstück zurück. „Für die Schäden aus der DDR-Zeit muss allerdings der Staat bezahlen“, so Naumann.
Riesa
„Das Volkshaus und das Kasernengrundstück auf der Heinrich-Heine-Straße sind als Sanierungsgebiete übrig geblieben“, sagt der Riesaer Stadtsprecher Uwe Päsler. In der „verbotenen Stadt“ zwischen Trinitatiskirche und Krankenhaus wurden die Spuren des sowjetischen Zwischenspiels bereits Ende der 90er Jahre getilgt. Anstelle trister Kasernenblöcke entstand ein Wohngebiet mit Ein- und Mehrfamilienhäusern.
Zumindest für das Volkshaus ist unterdessen eine Lösung greifbar. „Dort soll ein Dialysezentrum einziehen“, so Päsler. In seiner nächsten Sitzung wird der Stadtrat darüber beschließen. Keine konkreten Pläne gibt es hingegen für den Teil des Volkshauses, der der Gewerkschaft gehört. Ebenfalls in den Sternen steht die Zukunft der Ruinen auf der Heinrich-Heine-Straße. Eigentümer ist der Freistaat, vertreten durch das Sächsische Immobilien- und Baumanagement.
Zeithain
„Wir rechnen damit, dass die Sanierung des Militärlagers Zeithain insgesamt rund 25 Millionen Euro kosten wird“, sagt Horst Kühne, einer der beiden Geschäftsführer der Entwicklungs- und Verwertungsgesellschaft Zeithain (EVGZ). So viele Fördermittel fließen in keine andere belastete frühere Armee-Fläche im Elbland.
Auch sonst kann sich die Statistik der EVGZ sehen lassen. Von 1999 an hat die Gesellschaft jedes Jahr 220 ABM-Kräfte beschäftigt. Seit letztem August sind es nur noch 170. Ab diesem August sinkt die Zahl auf 130. „Die Arbeiten am so genannten Lager I sind abgeschlossen. Jetzt kommt das Lager II mit der Munitionsfabrik dran“, so Kühne. 2004 soll auch dort alles entgiftet sein. Die EVGZ wird sich dann von einer Sanierungs- zu einer Vermarktungsgesellschaft wandeln.
Ähnlich wie in Meißen Bohnitzsch hofft Geschäftsführer Kühne auf Großinvestoren. „Das Zeithainer Lager bietet durch seine Geschlossenheit eine einmalige Chance für eine Großansiedlung.“
Noch im Sommer soll eine große Vermarktungs-Initiative starten. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Gillo und Wirtschaftsberater Alexander Prinz von Sachsen werden dazu in Zeithain erwartet.