Sachsen hat noch große Lücken im Masernschutz

Dresden. Kinder ab einem Jahr müssen ab 1. März gegen Masern geimpft sein, wenn sie neu in eine Kita oder Schule gehen wollen. Doch sowohl Betreuungsverträge mit Kindereinrichtungen als auch die Schulpflicht stehen einem Ausschluss von ungeimpften Kindern entgegen.
Nach Bayern hat Sachsen die meisten Impfverweigerer, wie aus dem Arzneimittelreport der Barmer-Krankenkasse hervorgeht. Laut Sozialministerium sind allein etwa 2.000 Vier- und Fünfjährige in Sachsen nicht vollständig – also zweimal – gegen Masern geimpft. Vorerst nichts zu befürchten haben die ungeimpften Kinder, wenn sie bereits eine Kita oder Schule besuchen, beziehungsweise von Tageseltern betreut werden. Ihnen bleibt eine Übergangsfrist bis Ende Juli 2021. „Erst dann droht ein Betretungsverbot“, sagt Theresa Schmotz vom Sozialministerium.
Kita-, Schulleiter und Tageseltern, die unvollständig gegen Masern geimpfte Kinder neu aufnehmen, begehen dagegen eine Ordnungswidrigkeit, so Schmotz. Eltern, die jetzt schon einen Betreuungsvertrag für die Zeit ab März abgeschlossen haben, werden gegen einen solchen Ausschluss rechtlich vorgehen müssen.
Wer soll das kontrollieren?
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft kritisiert, dass Kita- und Schulleiter, die den Impfschutz kontrollieren müssen, weder personell noch fachlich dazu in der Lage seien.
Die größte juristische Herausforderung stellt derzeit aber die Diskrepanz zwischen Schul- und Impfpflicht dar. Allein in Chemnitz sind laut Stadtverwaltung 85 Prozent der Erstklässler vollständig gegen Masern geimpft. „Da Kinder der Schulpflicht unterliegen, kann gar kein Betretungsverbot ausgesprochen werden“, sagt Theresa Schmotz. Das Gesundheitsamt habe aber die Aufgabe, die säumigen Schüler beziehungsweise deren Eltern zu überzeugen. Bei Misserfolg könne das Amt ein Bußgeld von 2.500 Euro verhängen. „Es kann jedes Schuljahr erneut auferlegt werden“, so die Sprecherin. „Zwangsimpfungen wird es aber in keinem Fall geben“, versichert das Bundesgesundheitsministerium.
Elterstammtische des Vereins „Initiative für freie Impfentscheidung“ versuchen jetzt, juristische Schlupflöcher zu finden, um eine Impfpflicht noch zu umgehen. Der Verein „Ärzte für freie Impfentscheidung“ plant eine Verfassungsschutzklage. Denn aus seiner Sicht hätten die Eltern das Recht, über den geeigneten Impfzeitpunkt zu entscheiden. Dass Masern immer noch ein Problem sind, belegt das Robert-Koch-Institut. Von Januar bis November vorigen Jahres registrierte es in Deutschland 501 Krankheitsfälle. In Sachsen erkrankten im letzten Jahr 16 Menschen daran.