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Sachsen im Vollrausch

Für den Kurfürst war Wein Lebensmittel. Um den Suff zu feiern, etablierte er das Winzerfest in der Hoflößnitz. Teil 2 unserer Serie "Starker August".

Von Peter Ufer
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August der Starke (Steffen Urban) genießt im Weingut Hoflößnitz im Schatten der großen Kastanien ein kühles Glas Rosé.
August der Starke (Steffen Urban) genießt im Weingut Hoflößnitz im Schatten der großen Kastanien ein kühles Glas Rosé. © Ronald Bonß

Acht Krüge voller Wein waren es, die August der Starke in kurzer Zeit in sich hineingeschüttet hat. So schrieb es Friedrich Vitzthum von Eckstädt in seinen Erinnerungen. Der 1675 in Dresden geborene Reichsgraf begann seine Karriere als Page am kursächsischen Hof in Dresden und durfte schon als Jüngling mit ansehen, was der Adel literweise an Alkoholika schluckte. Das blaue Blut hatte offenbar seine Ursachen. Die Hochwohlgeborenen verbrachten einst 50 bis 60 Tage pro Jahr im Feierrausch. Von Eckstädt hatte dazu eine aussagekräftige Strichliste angelegt.

August der Starke betrachtete Bier und Wein als Lebens- und Rauschmittel. Später bekam er deshalb den Spitznamen „Bacchus des Barock“ verpasst. Die acht Krüge soll er im Jahr 1715 in der Hoflößnitz getrunken haben. Dort dinierte er samt Gefolge zum ersten großen Winzerfest im Festsaal des Berg- und Lusthauses. Lößnitzer und Cossebauder Weinbauern tanzten mit Musikinstrumenten um den Kurfürsten herum, präsentierten auf Stangen reife Trauben.

Offenbar gefiel dem obersten Wettiner der Ort, denn 1718 fand er sich erneut in dem Haus ein. In dem Jahr weilte der Schriftsteller und Großonkel von Goethe, Johann Micheal von Loen, in Sachsen und dokumentierte eines der Saufgelage: „Man trank stark, wo der König war. Die Damen, die Gesandten und diejenigen Herren, welche auf diesem Kampfplatz keine Helden waren, hatten sich davongemacht. (…) Andere sahen so blaß aus, wie der Tod, ihre Köpfe wackelten auf ihren Schultern, und ihre Füße taten ungewisse Tritte.“

Um ein Haar erstochen

1719 schickte der Kurfürst seinen Sohn mit dessen frisch angetrauter Gattin Maria Josepha in die Hoflößnitz. 1727 reiste August der Starke zu einem weiteren, diesmal dreitägigen Umtrunk in besagte Weinberge. 194 Gäste hatte er geladen, die sich mit ihm ins kollektiven Delirium soffen. In der Ausschweifung nehme der König seinen Gästen nichts übel, und „wenn er auch völlig betrunken ist, so entgeht ihm doch nichts“, notierte 1722 sein wichtigster Minister Jakob Heinrich von Flemming. Er erinnerte sich zudem daran, dass August ihn nach einer kräftigen Sauferei um ein Haar erstochen hätte. 

Wer mehr von der Geschichte des blaublütigen Trinkens und der Reben erfahren will, muss das Sächsische Weinbaumuseum besuchen. Das befindet sich in eben jenem Berg- und Lusthaus, in dem der Kurfürst erstmals 1715 weilte und heute der Stiftung Weingutmuseum gehört. 1650 ließ es sich Augusts Vorfahre, Johann Georg I., von Baumeister Ezchechiel Eckhardt errichten. Der Grundriss rechteckig, zwei Geschosse, ein Walmdach obenauf, an der Längsseite zum Berg und Hof des Weingutes vorgelegt ein achteckiger Turm mit Blick zum Berg hin. Ein faszinierender Bau, elegant als Zentrum eingebettet in die Hänge, an denen der Wein reift. Kein Keller, aber ein Erdgeschoss durchsetzt von kreuzgratgewölbten Räumen. An der östlichen Schmalseite die Tafelstube, im Westen zwei weitere Zimmer, im Süden die Küche. Und oben im ersten Geschoss hinter Fachwerk ein quadratischer Festsaal, im Westen das Wohnzimmer des Kurfürsten, bergseitig Schlafzimmer, im Dachgeschoss Fledermausgauben. Symmetrie als Sinnbild der Schönheit, ausgemalt mit Gemälden einer fantastischen Weltanschauung.

Der sächsische Kurfürst glaubte übrigens sein Leben lang an die heilende Wirkung des Alkohols. Als er zunehmend von den Schmerzen, Wunden und Entzündungen seiner Diabetes mellitus geplagt wurde, vertraute er seiner selbst erfundenen Medizin: mit schwerem Wein vollgesogene Brotscheiben. Alkohol galt für den Blaublüter offenbar als die labile Seitenlage in der Not. Der Zweck heiligt die Promille. Wenige Tage vor seinem Tod, am 1. Februar 1733, erlebte August mit dem preußischen Minister Friedrich Wilhelm von Grumbkow auf der Reise nach Warschau seine letzte Zecherei. Grumbkow wollte den Sachsenherrscher betrunken machen, um von ihm Geheimnisse zu erfahren. Später notierte er über den Polenkönig: „Er blieb sechs Stunden bei Tisch. Anderthalb Stunden hielt er an sich, darauf fragte er, ob ich Champagner hätte, und dann wurde er vergnügt.“ Der Todkranke vertrug allerdings nicht mehr so viel und Grumbkow nahm darauf Rücksicht. Er tat etwas Unglaubliches und verdünnte den Champagner mit etwas, das August sein Leben lang nie schmeckte: Wasser.

Das Sächsische Weinbaumuseum Hoflößnitz, Knohllweg 37, 01445 Radebeul ist dienstags bis sonntags und feiertags 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Bisher in der Serie "Starker August" erschienen:

  • Löwenmilch für das Adelskind
    Alles nur Legenden? Im Schloss Moritzburg erzählt eine Ausstellung vom Mythos Augusts des Starken. Teil 1 unserer Serie "Starker August"