Von Sven Heitkamp
Leipzig. Schwindende Neigung zu investieren, immer mehr Bereitschaft abzuwandern: Die steigenden Kosten für den Stromankauf belasten zunehmend die Stimmung in der sächsischen Wirtschaft.
Nach einer Studie des Leipziger Instituts für Energie (IE) sieht jedes dritte Unternehmen im Freistaat seine Wettbewerbsposition durch Energiepreissteigerungen als gefährdet an, beim Produzierenden Gewerbe ist deren Anteil sogar noch deutlich größer. Um 13 Prozent seien die durchschnittlichen Strompreise von 2009 bis 2011 gestiegen, stellt die Studie fest.
Die Folge: Jedes zweite Unternehmen in der Metallerzeugung und jedes zwanzigste Unternehmen im Maschinenbau denkt über eine Produktionsverlagerung ins Ausland nach.
Auch Investitionen könnten künftig eher an anderen Unternehmensstandorten getätigt werden als in Sachsen. „Existenzbedrohend“ seien die Stromkosten vor allem in den Branchen, in denen der Energiebedarf einen hohen Anteil an den Produktionskosten ausmacht, sagt Wolfram Schnelle, Geschäftsführer für Industrie und Außenwirtschaft bei der IHK Dresden. Betroffen sind zum Beispiel Gießereien wie in Pirna und Freital, aber auch Dienstleister wie Großwäschereien oder die Hotellerie. Damit wären im Ergebnis auch etliche Jobs bedroht.
Die Klagen haben ihren Grund in überdurchschnittlich hohen Stromkosten speziell im Freistaat. „In Sachsen zahlen gewerbliche und industrielle Verbraucher die vierthöchsten Strompreise Europas – nach Italien, Zypern und Malta“, sagt IE-Geschäftsführer Werner Bohnenschäfer. Während vom Gewerbe in Sachsen 23 Cent pro Kilowattstunde gezahlt wurden, waren es in der EU durchschnittlich nur rund 17,8 Cent. Bei der mittelständischen Industrie sind es immerhin noch 13,5 Cent in Sachsen statt 11,1 Cent andernorts.
Ursachen für die höheren Preise seien drei bis sechs Prozent höhere Erlöse der Stromunternehmen sowie die über dem Bundesdurchschnitt liegenden sächsischen Netzentgelte, erklärt Bohnenschäfer.
Die Potenziale des liberalisierten Strommarktes würden von den Betrieben aber noch zu wenig genutzt. Denn auch das ergab die Studie: Mehr als die Hälfte der Unternehmen hat in den vergangenen fünf Jahren ihre Strom-Verträge weder neu verhandelt noch optimiert.
Abgaben haben sich verdoppelt
Preistreiber sind allerdings nicht die eigentliche Stromproduktion und der Vertrieb – deren Kosten sind sogar eher gesunken. Die Teuerung verursachen vor allem die gestiegenen Steuern, Netzentgelte und Umlagen, vor allem zur Förderung der erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung.
Sie werden von Sachsens Industrie- und Handelskammern auch nicht grundsätzlich infrage gestellt. Doch die staatlichen Abgaben haben sich mehr als verdoppelt – und die Preisspirale wird sich weiterdrehen. Die Autoren der Leipziger Studie rechnen damit, dass die Netznutzungsentgelte noch weiter nach oben klettern und die EEG-Umlage von fünf Cent auf sieben Cent pro Kilowattstunde steigt.
Wolfram Schnelle von der IHK Dresden empfiehlt den Unternehmen dringend, künftig stärker auf Einsparpotenziale zu achten – von der Beleuchtung und Druckluft über die Gebäudedämmung und Produktion bis zur eigenen Energie-Erzeugung. Für stromsparende Investitionen gebe es zum Beispiel verschiedene Förderprogramme zur Energieeffizienz, die noch längst nicht ausgeschöpft seien. „Da gibt es durchaus noch Reserven“, sagt Schnelle. Die Unternehmen sollten die schwierige Lage auch „als Chance erkennen“. Die sächsischen IHK stellen ihrerseits seit 2010 Energiecoaches zur Verfügung, die in Unternehmen nach Einsparmöglichkeiten forschen.
Die Kammern hatten die aktuelle Studie in Auftrag gegeben, um die Auswirkungen der Energiewende zu analysieren. Sie fordern von der Politik, die Stromsteuer spürbar zu senken. „Die Nutzungsentgelte könnte man sogar ganz abschaffen“, fordert Schnelle.