Sachsen testet 5G auf dem Acker

Nanu, die fliegende Drohne ist per Kabel mit dem fahrenden Traktor verbunden? Gibt es etwa keine drahtlose Übertragung bei der fünften Generation des Mobilfunks (5G), die seit diesem Montag auf dem sächsischen Versuchsgut Köllitsch in Nordsachsen getestet wird? Das wäre ein Rückschritt. Doch Abteilungsleiter Uwe Bergfeld aus dem Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie klärt die Fachbesucher am Feldrand auf: Nur zur Stromversorgung hängt die Drohne am Kabel. Denn eine Akkuladung würde bei weitem nicht für einen Arbeitstag auf dem Acker ausreichen.
Die Drohne soll mit ihrer Kamera Bilddaten zum Leitstand oder zum Traktoristen schicken – Erkenntnisse zur Pflanzengesundheit oder bei der Ernte die Warnung vor einem Rehkitz, das vor dem Mähdrescher döst.
Die Datenübertragung auf dem Acker ist nur eine von vielen Techniken, die in den nächsten vier Jahren auf dem sächsischen Experimentierfeld getestet werden sollen. Sachsens Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) sagte zum Start, es sei das bisher größte Testfeld seiner Art in Europa. Auf einem Gebiet von Köllitsch an der brandenburgischen Grenze über die Lommatzscher Pflege bis Nossen und Meißen sollen sich Agrarbetriebe, Firmen und Forscher beteiligen.
Freilich weiß der Minister, dass die künftige Mobilfunktechnik 5G derzeit vielerorts ausprobiert wird – ob im Hamburger Hafen, auf der A9 oder in Dresden als Verkehrsprojekt „Harmonize DD“. Doch Schmidt betont, dass beispielsweise ein Autokonzern seine Forschungsergebnisse nicht mit anderen teile. Das neue 5G-Testfeld aber sei offen für viele, soweit sie ihre Ergebnisse auch offenlegten.

Zum Start vor Publikum fliegen nicht nur Drohnen, auch ein Traktor mit 27 Meter breiter Feldspritze fährt lautstark an und sprüht gefärbtes Wasser aus vielen Düsen. Die lassen sich einzeln öffnen und schließen. Der Traktor wendet, kommt zurück und sprüht nun Wasser nur noch auf Stellen, die noch keines bekommen haben.
Sensoren und gespeicherte Daten sollen es möglich machen, Dünger und Unkrautvernichter gezielter einzusetzen. „Das gibt es schon“, ist allerdings bei der Vorführung aus dem Publikum zu hören. Tatsächlich bietet beispielsweise das sächsische Unternehmen Agricon aus Ostrau die Technik für das „Smart Farming“ an und ist auch am Testfeld beteiligt. Seit zehn Jahren gibt es auch schon Landmaschinen, die autonom und auf 2,5 Zentimeter genau fahren, sagt Thomas Herlitzius, Professor für Agrarsystemtechnik an der TU Dresden. Doch im sächsischen Testfeld sollen möglichst viele Partner vernetzt werden, darunter sächsische Universitäten und Fraunhofer-Institute. Leipziger Forscher bringen ihr Projekt „Express“ ein, bei dem detaillierte Feldkarten mit „digitalem Geländemodell“ entstehen.

Minister Schmidt sagt, die Landtechnik werde „gerade neu erfunden“. Sachsen solle dabei sein, womöglich mit neuen Chancen für die hiesigen Landtechnik-Hersteller. Das Experimentierfeld 5G diene der Land- und Forstwirtschaft, aber auch einer Plattform „digitale Dörfer“. Dazu können Projekte wie ein Online-Marktplatz für regionale Produkte gehören oder ein digitales Bürgerbüro. Denn die fünfte Mobilfunkgeneration soll die vorhergehende nicht verdrängen, sondern ergänzen. Neue Frequenzen werden hinzukommen, noch funkt die Nokia-Antenne auf dem Dach des Lehr- und Versuchsgutes Köllitsch aber mit der bisherigen Funktechnik LTE (4G).
Der Begriff 5G stehe für ein „Sammelsurium“ aus vielen Technologien, sagt Norman Franchi, einer der Geschäftsführer im Forschungsverbund 5G Lab Germany in Dresden. Nicht überall seien dieselben Anwendungen nötig. Wer Maschinen untereinander vernetzen wolle, brauche nicht unbedingt eine Internetverbindung über Glasfaser. Wer aber die Daten seiner Kühe sammeln und beispielsweise zur Gesundheitsvorsorge auswerten wolle, müsse übers Internet Zugriff auf die Cloud bekommen, auf die Datenwolke. Auf dem Lande sei es nicht überall nötig, ein Mobilfunknetz wie in der Stadt mit Tausenden Anwendern anzubieten.
Franchi reagierte damit auf die Diskussion, ob 5G künftig „an jeder Milchkanne“ gebraucht werde. Der Landwirt und Unternehmensberater Hartwig Kübler von Gutshof Raitzen bei Riesa forderte, „dass auch die letzte Milchkanne versorgt wird“. Die Landwirtschaft müsse effizient arbeiten können und zudem die knapper werdenden Nachwuchskräfte begeistern.
Die Forscher und Politiker erklärten, dass sie Sorgen vor der neuen Technik ernst nähmen. Minister Schmidt kündigte an, wegen möglicher Bedenken zur Mobilfunk-Strahlung bei den Tests Messungen vorzuschreiben und die Ergebnisse online öffentlich zugänglich zu machen. Die neue Technologie mache eine „ressourcenschonende Landwirtschaft“ möglich. Professor Herlitzius sagte, auch die autonom fahrenden Spritz- und Erntemaschinen der Zukunft kämen nicht ohne Bediener aus. Allerdings könne künftig eine Person mehrere Landmaschinen gleichzeitig bedienen.