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Sachsens Hausärzte im Schnitt 53

Im Vogtland ist es zur hausärztlichen „Unterversorgung“ gekommen. Görlitz, Weißwasser und Zittau gelten als bedroht.

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© dpa

Von Carola Lauterbach

Übernahme: baldmöglichst. So steht es in einem von mehreren Inseraten der Praxisbörse auf der Webseite der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS) unter der Rubrik Praxisnachfolger gesucht.

Nach KVS-Informationen hat es im letzten Jahr 163 Zu- und 204 Abgänge gegeben. Die Haus- und Facharztsuche wird für Patienten in Sachsen – vor allem jenseits der großen Städte – zunehmend zu einem Problem. Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat das erst jüngst bekräftigt. In der Region Reichenbach im Vogtland ist überdies erstmals in Sachsen eine sogenannte Unterversorgung in der hausärztlichen Versorgung eingetreten. Das ist der Fall, wenn die bedarfsgerechte Versorgung um ein Viertel unterschritten wird. Der stellvertretende KVS-Vorstandsvorsitzende Dr. Claus Vogel sieht diese Gefahr auch in weiteren Regionen. Bedroht seien aufgrund der kritischen Altersstruktur der Hausärzte Bereiche um Delitzsch, Freiberg, Görlitz, Marienberg, Mittweida, Oschatz, Stollberg, Weißwasser, Zittau und Zwickau. Zum jetzigen Zeitpunkt betrage das Durchschnittsalter der 2 618 niedergelassenen HSachsen verdoppelt Zahl der Flüchtlingsplätzeausärzte in Sachsen 53 Jahre. Und ein Drittel von ihnen habe bereits das Rentenalter erreicht.

Zudem gestalte sich die demografische Situation für die hausärztliche Versorgung bekanntermaßen problematisch. Während die Zahl der Einwohner in ländlichen Regionen Sachsens stetig schwindet, steigt das Durchschnittsalter der verbliebenen Bevölkerung. Und es fehlt anhaltend an hausärztlichem Nachwuchs. Von den Absolventen des Medizinstudiums, so Dr. Vogel, entschieden sich nur zehn Prozent für eine Weiterbildung in der Allgemeinmedizin und damit für einen späteren Hausarztberuf. „Dies deckt den künftigen Bedarf nicht ab“, so Vogel.

Geheimwaffe Telemedizin?

Der KVS-Vize sieht die Gründe für das mangelnde Interesse in der geringen Repräsentanz des Fachs Allgemeinmedizin im Verlauf des Studiums, aber auch in der Organisation der Weiterbildung zum Allgemeinmediziner. Weitere Hemmnisse seien das mit der Praxisgründung einhergehende vermeintliche wirtschaftliche Risiko sowie die oftmals als unzureichend empfundene Infrastruktur in Regionen außerhalb der Ballungszentren. Anders gesagt: die jungen Mediziner wollen lieber in den kulturell vitaleren Großstädten bleiben, statt aufs beschauliche Land zu ziehen.

Der bekannte Arzt, Medizinunternehmer und Lehrstuhlinhaber Dietrich Grönemeyer kann das gut nachvollziehen und sieht darin kein Problem, wie er kürzlich in einem Artikel in der Sächsischen Zeitung schrieb. Sein Patentrezept gegen den Ärztemangel auf dem flachen Land: Telemedizin. Über den Bildschirm, so Grönemeyer, könnten die Patienten ohne umständliche Anfahrt und zeitlich flexibler mit dem Arzt in Verbindung treten. In einfachen Fällen ließe sich die Therapie per Ferndiagnose abstimmen, in schwierigeren müsste ein Praxistermin vereinbart werden.

Bei der KVS ist man verhaltener. Die Telemedizin werde sich als Möglichkeit der Patientenbetreuung entwickeln, könne jedoch die medizinische Grundversorgung vor Ort nicht ersetzen. Sie erscheine geeignet, räumliche Entfernungen für eine medizinische Kontrolle bei chronischen Erkrankungen und langanhaltenden Behandlungen zu überbrücken, heißt es. Allerdings bedürfe es der Zugangsvoraussetzungen technischer und kommunikativer Art. Und gerade die von der drohenden Unterversorgung am meisten betroffenen Patienten, die älteren, seien vermutlich nicht so technikaffin, um davon zu profitieren. Dennoch: Anfang Juli starteten das Dresdner Universitätsklinikum und T-Systems das mit knapp zehn Millionen Euro geförderte Pilotprojekt „CCS Telehealth Ostsachsen“, bei dem Menschen mit chronischer Herzschwäche nach ihrem Klinikaufenthalt aus der Ferne betreut werden.

Mit weiteren, eher konventionellen, Maßnahmen, versucht Sachsen das Problem der Unterversorgung in den Griff zu bekommen. Dazu gehören finanzielle Anreize für die eigene Praxis auf dem Lande. Viel früher setzt die Studienförderung ein. Sie unterstützt jene, die sich bereit erklären, sich nach dem Studium und Facharztausbildung für mindestens fünf Jahre auf dem Lande niederzulassen.

Anders als im allgemeinmedizinischen Hausarztbereich gebe es in der Grundversorgung der fachärztlichen Bereiche keine akuten Auffälligkeiten, heißt es bei der KVS. Allerdings beobachte man insbesondere bei Kinder-, Augen- und Nervenärzten „kritische Tendenzen, die zu Versorgungsproblemen führen könnten.“