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Sachsens Müll macht noch viel Arbeit

Die Entsorgungsbranche ist uneins über Techniken und ihre Finanzierung. Die SZ notierte beim Abfallkolloquium die wichtigsten Streitpunkte.

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Von Georg Moeritz

Freiberg. Leere Joghurtbecher und Plastefolie – was zu Hause manche Diskussion ums Mülltrennen auslöst, lässt auch die Experten nicht kalt. Das Freiberger „Abfallkolloquium 2007“ zeigte, dass sich mit Müll zwar Geld verdienen lässt, viele Techniken aber längst nicht auf dem besten Stand sind.

Übers Mülltrennen sind die Fachleute nicht einig

Viele Unternehmen verdienen daran, dass leere Verpackungen eigens in gelben Tonnen und Säcken gesammelt werden. Manche Experten halten diese Trennung vom Hausmüll für nicht mehr nötig, denn neue Sortieranlagen könnten gemischten Abfall aus der grauen Tonne trennen. „Versuche haben gezeigt, dass es grundsätzlich geht“, sagt Bernd Bilitewski, Professor für Abfallwirtschaft an der Technischen Universität Dresden. Doch es habe noch keine großflächigen Tests „unter reellen Bedingungen“ gegeben, hält Unterabteilungsleiter Thomas Rummler vom Bundesumweltministerium dagegen. Die „haushaltsnahe Sammlung“ habe sich bewährt, daher wolle er sie lieber nicht ändern.

Fazit: Noch muss der Abfall zu Hause sortiert werden.

Umgang mit Abfall ist technisch nicht ausgereift

Seit drei Jahren darf Hausmüll nicht mehr auf eine Deponie. Ein Teil der sächsischen Kommunen bringt den Abfall in die Müllverbrennungsanlage Lauta bei Hoyerswerda. Andere transportieren den Inhalt der grauen Tonnen zu den vier mechanisch-biologischen Anlagen Sachsens, zum Beispiel in Dresden. Dort wird der Müll sortiert, mit Sieben und Magneten. Ein Teil verrottet, ein anderer kommt in Verbrennungsanlagen. Nur die Reste werden deponiert: in Cröbern bei Leipzig, Gröbern bei Meißen und Kunnersdorf bei Görlitz.

Der Dresdner Professor Bernd Bilitewski bescheinigt den Abfallbehandlungsanlagen zwar einige Vorteile: Sie reduzieren die Menge für die Deponie, auch das Sickerwasser und die Gasbelastung. Doch sie seien weder billiger noch umweltfreundlicher als die Verbrennung. Außerdem sei das Ziel nicht erreicht, Deponien zu vermeiden.

Fazit: Die Sortieranlagen sind unvollkommen – Müll vermeiden ist noch immer die beste Lösung.

Verbrennung bringt begehrten Strom

In Deutschland gibt es etwa 70 Abfallverbrennungsanlagen. Sie machen aus dem Müll Strom und manchmal auch Wärme – damit helfen sie, Brennstoffe wie Kohle zu sparen. Doch im Durchschnitt schaffen sie es lediglich, 13 Prozent der Energie in Strom zu verwandeln, sagt Markus Gleis, Abfallexperte des Umweltbundesamtes in Dessau-Roßlau. Investitionen zur Verbesserung der Energieausbeute gebe es kaum – für die Betreiber sei das teuer und lohne sich nicht.

Manche Braunkohlekraftwerke wie Jänschwalde verbrennen sortierte Müllreste mit, in Boxberg wird Tiermehl mit verbrannt. Doch zunehmend lehnen Kraftwerksfirmen die Müllreste als Beimischung ab, weil die zum Beispiel Rostschäden verursachen können.

Dafür haben Industrielle den Abfall als Brennstoff für eigene Kraftwerke entdeckt. Sachsenmilch in Leppersdorf ist nicht das einzige Unternehmen mit solchen Plänen: Dem Umweltbundesamt zufolge laufen fünf solche Anlagen in Deutschland, fünf sind im Bau, etliche geplant – oft unter Protest von Nachbarn: „Es ist nicht nur in Leppersdorf so, auch in Thüringen und anderswo geht es hoch her“, sagt Markus Gleis. Derweil steigen die Preise der Anlagenhersteller. Tilmann Greiner vom Marktforschungsunternehmen Trend Research in Bremen erwartet, dass sich das Geschäft nur für die ersten Investoren lohnt: „Wer nicht bald in die Puschen kommt mit seinem Kraftwerk, wird es nicht schaffen.“

Fazit: Solange Abfall wie ein Rohstoff gehandelt wird, werden sich Abnehmer dafür finden.

Abfalldeponien werden

zu Energielieferanten

Wo Gebäude abgerissen werden, bergen die Unternehmer zuvor die Kupferleitungen – das Metall bringt Geld. Künftig könnte auch der Inhalt alter Mülldeponien wertvoll werden, und sei es zur Verbrennung im Kraftwerk. Marlene Sieck vom Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau nennt die Hausmülldeponien „unsere geologisch jüngsten Rohstofflager“. Der Trierer Professor Gerhard Rettenberger ist skeptisch – für ihn lohnt sich der „Deponierückbau“ nur in Regionen, in denen die Grundstücke anschließend noch einen guten Preis als Baugrund einbringen.

Fazit: Für eine Goldgräberstimmung auf Sachsens Altdeponien ist es wohl Jahrzehnte zu früh.

Kommunen verkaufen

und kaufen Entsorger

Die orangefarbenen Müllautos gehören mal privaten Unternehmen, mal der Gemeinde – und wechseln auch schon mal den Besitzer. Die Stadt Görlitz zum Beispiel möchte die privatisierte Entsorgungsgesellschaft wieder zurückkaufen. Die Berliner Anwältin Caroline von Bechtolsheim hat einen Trend zur „Rekommunalisierung“ ausgemacht. Selbstbewusste Gemeinderäte wollen das Geschäft lieber wieder von ihrer Verwaltung organisieren lassen. Gründe: Die Müllabfuhr funktioniert nicht nach Wunsch – oder die Firmen drücken die Löhne so stark, dass die Arbeiter Lohnzuschüsse vom Staat beantragen.

Entsorgungsfirmen weisen den Vorwurf zurück: Die Einstiegslöhne bei privaten und kommunalen Firmen seien nicht mehr weit auseinander, sagt Peter Venner, beim Unternehmen Nehlsen zuständig für Sachsen. Peter Hofinger, ein Geschäftsführer der Stadtreinigung Dresden GmbH, lobt den Verkauf von 49 Prozent ihrer Anteile vor drei Jahren an Cleanaway (heute Veolia). Dank der Erfahrung des privaten Investors sei ein funktionierender Vertrieb aufgebaut worden, während früher manche Anrufer nicht mal ordentlich weiterverbunden worden seien. 170 Posten zur Kostensenkung seien gefunden worden, darunter mehrfach vorhandene Fachzeitschriften und Nachschlagwerke. Die Belegschaft sei zwar verkleinert worden, aber ohne Kündigungen.

Fazit: Es wird in den nächsten Jahren sowohl neue Privatisierungen als auch Rückkäufe geben, ähnlich wie bei den Stadtwerken.