Von Ralph Schermann
Schon im Schulchor fiel Helmut Händel auf. Das war in Leipzig, seiner Geburtsstadt. Als er mit seinen Eltern 1962 nach Görlitz zog, war dem 12-Jährigen der Chorverzicht aber gar nicht unangenehm. Denn das Repertoire damaliger Schulensembles reizte ihn nicht wirklich.
Die Musik indes hatte ihn dennoch gepackt und ließ ihn bis heute nicht mehr los. Mit 14 Jahren brachte er sich selbst das Gitarrespielen bei. Erst nur wenige Griffe, beherrscht er das Instrument heute perfekt. Er übte täglich, und im Klub des Hauses der Jugend fand er Unterstützung und Mitstreiter. Manche Freundschaft begann in jener Zeit und an jenem Ort, auch mit Heinz-Werner Jeschkowski zum Beispiel, in dessen an dieser Stelle bereits vorgestelltem Mundarttrio „Rübenzähler“ er weiter den musikalischen Part gibt. Über die „Talentebude“ des Görlitzer Maschinenbaus bekam Helmut Händel eine fundierte Ausbildung, und fortan reiste er auch von einem Leistungsvergleich zum nächsten Bezirks- und sogar DDR-Ausscheid. Mit vielen später sehr bekannten Berufssolisten stand er gemeinsam auf den Brettern solcher Wertungen und Einstufungen, mit der Sängerin Monika Herz zum Beispiel.
Die Kommissionen bescheinigten dem jungen Mann stets „ausgezeichnete Qualität“, hielten zunächst 27 DDR-Mark für einen Abendauftritt für angemessen und notierten in die Auftrittslizenz querbeet „Schlagergesang, Volksliedinterpretation und Chanson“. So richtig passte Helmut Händel eben in keine Schublade. Und er wollte auch nicht seine Auftritte zum Beruf erheben, wollte immer Musik als Freizeitbeschäftigung machen. Angebote, Musik zu studieren, schlug er aus, nahm aber Gesangsstunden beim einst sehr populären Görlitzer Theatersänger Johannes Scheinpflug.
Der Spitzendreher Helmut Händel arbeitete im VEB Kema, studierte dann, ging in die Planung und Buchhaltung, nach der Wende war er 15 Jahre im Schul- und Sportamt der Stadtverwaltung Görlitz tätig, zu guter Letzt noch ein Jahr im Landratsamt. Am Dienstag wird er 60 Jahre alt und geht in den Vorruhestand. Natürlich nur beruflich. Nicht etwa als Sänger.
Heute füllt er nicht unbedingt mehr den Saal der Stadthalle, obwohl er es mit einer von ihm neu entdeckten Richtung durchaus könnte: Er gilt in Fachkreisen längst als brillanter Reinhard-Mey-Interpret. Hingebungsvoll gestaltet er die oft schwierigen Textkaskaden seines großen Vorbildes auf eine ihm eigene Weise. Er ist dabei immer auf dem neusten Stand, erarbeitet sich akribisch jeden neuen Song. Seine Frau Marie-Luise hilft dabei, bereitet auch seine Auftritts-Siebensachen oft mit vor. Der große Saal ist es nur selten noch, Helmut Händel nimmt gern auch Auftrittsangebote auf kleineren, auch familiären Feiern an. Da hätte auch Reinhard Mey wohl nichts dagegen. Immerhin hat er über Fans wie Helmut Händel mal gesagt: „Ich freue mich, wenn meine Lieder unsere Lieder werden!“
In loser Folge stellen wir einstige Görlitzer Volkskunstschaffende vor. Ihre Hinweise dazu nehmen wir gern entgegen: SZ, Kennwort Volkskunst, An der Frauenkirche 12, 02826 Görlitz.