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Saxofon-Legende "Saftel" ist tot

Kurt Gerlach aus Lückendorf, einer der besten Saxofonisten der DDR und bis ins hohe Alter gefragter Musiker, ist heute im Alter von 79 Jahren gestorben.

Von Bernd Dreßler
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Kurt Gerlach alias "Saftel" ist im Alter von 79 Jahren gestorben.
Kurt Gerlach alias "Saftel" ist im Alter von 79 Jahren gestorben. © - keine Angabe im huGO-Archivsys

Den Musiker Kurt Gerlach, viel besser bekannt als Saftel, für ein Programm zu bekommen, egal, ob Heimatfest, Seniorennachmittag, Geburtstagsfeier oder einem anderen Anlass, glich einem Fünfer im Lotto. Mitte der 1990er Jahre hatte der gestandene DDR-Musiker wieder zu spielen begonnen, in Berlin oder Cottbus sowie anderen Städten und natürlich auch in der Oberlausitz. Der Auftrittskalender des Lückendorfers war – da hatte er die 70 schon weit überschritten - so gut gefüllt, dass man als Veranstaltungsorganisator mitunter mehr als ein Jahr warten musste, um Kurt Gerlach engagieren zu können. Saxofon, Klarinette, Geige, Dudelsack. Insgesamt acht Instrumente – wer kann die schon alle spielen? Saftel konnte es. Auf die Frage eines SZ-Kollegen nach dem Grund seiner Beliebtheit hat er einmal geantwortet: „Ich bediene im großen Unterhaltungsmarkt eine Nische.“ Schon wenn er mit seinem Alleinunterhalter-Gepäck in einer Gaststätte oder einem Vereinsheim anreiste und sich auf seinen Auftritt vorbereitete, sprang der Funke über. Sensible Unterhaltung mit Moderation, musikalischer Klasse und immer neuen Programmen – das war sein Erfolgsrezept. "Die Leute freuen sich, wenn sie die Lieder aus ihrer Sturm- und Drang-Zeit wiederhören“, war sich Kurt Gerlach sicher.

Genau diese Sturm- und Drang-Zeit hat er musikalisch maßgeblich mitgestaltet. Es war die Zeit der sogenannten handgemachten Musik, als noch Live-Bigbands auf den Tanzsälen spielten. Hatte Kurt Gerlach als kleiner Junge Geigenunterricht erhalten, wurde mit 16 das Saxofon sein Instrument. Erste Auftritte gab es 1957 bei den „Tonmixern“, einer Bernstädter Combo. Dort bekam er auch den Beinamen Saftel. Warum? Ganz einfach, für Bier war er noch zu jung. Über eine eigene Combo kam er schließlich 1961 zum legendären Franke-Echo-Quintett. Damit trat er auch im Görlitzer Haus der Jugend auf. In Dreierreihe sollen damals dort die Fans gestanden haben, um in den Saal zu gelangen. Als 1966 auch in den Kinos Zittau und Löbau die musikalische Defa-Komödie „Reise ins Ehebett“ lief, da war Saftel an der Seite von Frank Schöbel mit diesem Quintett auf der Leinwand zu sehen. Noch mit manch anderem DDR-Star stand Kurt Gerlach auf der Bühne, bevor er ab 1982 als Solist und Entertainer mit eigenen Programmen auftrat, um nach der Wende seine überaus gefragte Nische als Alleinunterhalter zu finden.

Musiklegende und Tierfreund

Vielleicht hatte der eine oder andere Kulturverantwortliche Saftel immer noch auf seiner Vormerkliste. Doch im Vorjahr deutete sich beim Lückendorfer Heimatfest das Ende seiner Karriere an. Noch einmal spielte er dort, so berichten Augenzeugen, ein begeisterndes Saxofon-Solo. Doch den Wunsch des Publikums nach Zugaben konnte er nicht mehr erfüllen. Atembeschwerden geboten ihm Einhalt. Schweren Herzens musste er sich von der Bühne zurückziehen. Nun hat sein Sohn Michael, Tontechniker bei Bands und Diskotheker, im Namen der Familie via Facebook mitgeteilt, dass sein Vater am 23. April im Alter von 79 Jahren in Lückendorf friedlich eingeschlafen ist.

Zu Recht bezeichnet Michael Gerlach seinen Vater als Musikerlegende. In einer Beileidsbekundung hebt ihn Rainer Zöllner als großartigen Saxofonisten hervor, „einer der besten in der DDR“. Aber nicht nur der Musiker Saftel wird fehlen. Er war auch einer der Macher des Lückendorfer Heimatfestes, das er auf seine Weise unterstützte, mit Ideen für das Programm und den Umzug, mit der Beschallung, mit Einlagen zwischen den Auftritten der Gastkapellen, wie es in einer Würdigung hieß, als man ihn im Vorjahr beim Heimatfest verabschiedete.

Fehlen wird Kurt Gerlach auch als Freund der Tiere. Er besaß nicht nur selbst welche, er unterstützte auch in Not geratene Vierbeiner mit seiner Musik. Für die Aktion „Ein Herz für Tiere“ hat er in der Vogelschänke in einer Gartenanlage in der Zittauer Weinau einmal im Monat gespielt. Die Einnahmen spendete er Tierheimen oder sie kamen Tierfreunden zugute, die ein hilfloses Tier bei sich aufnahmen. Dass eine Hörnitzer Familie einen angeschossenen Kater, der ihr zugelaufen war, gesund pflegen konnte, hat sie auch Saftel und seiner Musik zu verdanken.   

"Saftel" als kleiner Junge.
"Saftel" als kleiner Junge. © privat
Hier ist er 2007 mit einem original schottischen Dudelsack und seinem Ziegenbock Hansi zu sehen.
Hier ist er 2007 mit einem original schottischen Dudelsack und seinem Ziegenbock Hansi zu sehen. © Matthias Weber
Als Saxofon-Legende begeisterte er im selben Jahr bei der Feier seines 50-jährigen Bühnenjubiläums im Gleis 1 im Görlitzer Bahnhof mit einem fünfstündigen Konzert.
Als Saxofon-Legende begeisterte er im selben Jahr bei der Feier seines 50-jährigen Bühnenjubiläums im Gleis 1 im Görlitzer Bahnhof mit einem fünfstündigen Konzert. © Christian Suhrbier

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