So viel Aufwand im Museum

Die Vitrinen blitzen, kein Fleck stört den Blick auf die reich verzierten Gläser, kein Stäubchen liegt auf den gläsernen Zwischenböden. Die Beschilderung beschreibt die Exponate knapp, klar, in Deutsch und Polnisch. Die Besucher staunen, wandern durch die Ausstellung, trinken Wein oder Kaffee und gehen nach Hause, bereichert um exklusive Eindrücke und ein Stück kunstgewerblichen Wissens.
Ein halber Tag im Museum
So wird es Anfang April sein, wenn die Ausstellung "Heckert Glas 1866–1923" im Schlesischen Museum eröffnet wird. So wünscht es sich das Team, das monatelang an dieser Sonderschau gearbeitet hat. Wie an jeder anderen Ausstellung auch. Denn der Eindruck, den die Museumsbesucher haben werden, ist vor allem der schöne Schein. Wie viel Aufwand und Zeit dahinter stecken, wird mir klar, als ich einen halben Tag mit den Museumsleuten verbringe.
Im Depot kann ich schon einmal einen Blick auf die Gläser werfen, die demnächst zu sehen sein werden. Mit weißen Handschuhen stelle ich einige Stücke auf durchsichtige Aufsteller und bin fasziniert, dass sie unter UV-Licht grellgrün leuchten, wenn bei der Glasfärbung Uran im Spiel war. Interessant auch ein Brautbecher, den man so mit Wein füllen kann, dass Braut und Bräutigam mit Geschick von zwei Seiten daraus trinken können.

"Nie bereitet nur einer allein eine Ausstellung vor", erklärt mir Martin Kügler, Kunsthistoriker am Schlesischen Museum und Kurator der geplanten Glasausstellung. "Ohne das Wissen der Kollegen geht gar nichts." Zu diesen wertvollen Kollegen gehört der Museologe und Historiker Norbert Faust, der bei allen Ausstellungen im Hintergrund mitwirkt, ob im Schönhof Glas, Porzellan, Pfefferkuchenformen, Münzen, Bildende Kunst, Eisenbahnabteile oder Erinnerungen von Zeitzeugen zu sehen sind.
40.000 Objekte beschrieben
Er ist derjenige, der die Bestände des Museums am besten kennt. Ganze 40.000 Gegenstände sind im Depot des Schlesischen Museums verwahrt, das seine Sammlungstätigkeit erst in den 1990er Jahren begann. Jedes einzelne Objekt haben Norbert Faust und seine Vorgängerin inventarisiert. Jedes Glas, jede Suppenterrine, jede Medaille haben sie fotografiert, historisch eingeordnet, beschrieben, mit einem Etikett beschriftet, an den passenden Platz im Regale gestellt und diese Daten in eine Datenbank eingepflegt. Viele Tage sind auf diese Weise in den über zehn Jahren verstrichen, die Norbert Faust am Schlesischen Museum arbeitet.
In den Tiefen des Depots verloren
"Würde man etwas nicht inventarisieren oder an den falschen Platz stellen, wäre es für immer in den Tiefen des Depots verloren", sagt der Museologe. "Nur durch Zufall könnte man es dann noch finden." Um die Regale zu bewegen, drehe ich an einem Rad an der Stirnseite und staune, wie leicht das geht. Wie in nichtöffentlichen Bibliotheken wird auch im Museumsdepot kein Platz verschwendet. Ohne Abstand stehen die Regale aneinander. Wer etwas sucht, schafft eine einzige Gasse, indem er alle anderen Regale beiseite schiebt. Obwohl sie schwer beladen sind, gleiten sie leicht auf Schienen vorbei.

Für die Tausende an Zeichnungen, Radierungen und anderen Drucken hat das Museum ein extra Grafikdepot. Hier sind die Kunstwerke in zahlreichen flachen Schüben aufbewahrt, jedes einzelne Blatt in einem Passepartout aus säurefreiem Papier.
Wie ein Passepartout entsteht
In der Mitte des Raums steht ein großer Arbeitstisch, an dem Norbert Faust die Passepartouts zurechtschneidet. Er sucht ein Stück Karton aus einem Schub, zeigt mir, an welchem Lineal ich das Randmaß einstellen kann. Gar nicht so einfach, auf den ersten Blick zu erkennen, welche Millimeterskala zu welchem Maß gehört. Doch als ich das Papier ein paarmal gewendet und das scharfe Messer immer wieder durch den Karton gezogen habe, ist ein schönes Passepartout mit angeschrägten Innenkanten entstanden, in dem eine Grafik gut und lange aufbewahrt werden kann.

Leider komme es immer wieder vor, sagt Norbert Faust, dass Grafiken in gewöhnlichen Klarsichthüllen aufbewahrt werden. "Doch Säuren und Weichmacher zerstören die Grafik."
Museologe kennt den Zustand vieler Objekte
Um eine Sonderausstellung vorzubereiten, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder das Museum verfügt über eine Reihe an Objekten, die es gern einmal zeigen möchte. Dann kann es auf die inventarisierten Objekte im Depot zurückgreifen. Die Wissenschaftler im Museum, Martin Kügler, Johanna Brade, Martina Pietsch und Direktor Markus Bauer, kennen die Bestände ihrer Spezialgebiete gut, aber Norbert Faust weiß auch um den Zustand der Objekte, ob sie restauriert oder gereinigt werden müssen, bevor sie ausgestellt werden können.
Bis zu zwei Jahren Vorlauf
Schwieriger seien Ausstellungen zu größeren Themen wie Jubiläen, sagt Martin Kügler. Hier müssen passende Exponate häufig erst gefunden werden. Dann nimmt der Kurator Kontakt zu möglichen Leihgebern auf. "Wir fahren dann oft direkt dahin, auch um Vertrauen zu schaffen." Ist das Budget der Ausstellung eher klein, kommen teure Leihgaben nicht infrage.
Wünschen Leihgeber einen Kunsttransport durch eine professionelle Firma, können auch dessen hohe Kosten ein Grund sein, von dem Exponat Abstand zu nehmen. Auch aus diesen Gründen braucht die Vorbereitung einer Ausstellung Zeit, manchmal bis zu zwei Jahren. In der Zeit forschen die Wissenschaftler bereits zu Themen, die später relevant werden.
Viele Beteiligte
Parallel zu Suche, Auswahl und Transport der Objekte überlegen sich Kurator und Museologe Aufbau und Gestaltung der Ausstellung. Ein Vitrinenplan, die Texte für Ausstellungsbanner, Beschriftungen, Katalog und Werbung entstehen. Externe Grafiker, Übersetzer, Ausstellungsarchitekten werden eingebunden, der Haustechniker des Museums, die Verwaltung und zunehmend die Öffentlichkeitsarbeit des Museums. Steht alles fest, geht es an den Aufbau der Ausstellung, der Tage oder Wochen dauern kann.
Vorsicht, schwankendes Glas
Die Vitrinen für die Glasausstellung zeigen im Moment noch Heiligenbilder. Sie werden bald geleert und im Schönhof nach Plan aufgestellt. Für mich sind sie mit Vorsicht zu genießen. Die Türen haben keine Griffe, ich öffne sie per Saugnapf. Als ich das erste Heiligenbild herausnehme, fängt der gläserne Vitrinenboden an zu schwingen. Ein Schild verrutscht, weil ich mit dem Ärmel daran hängenbleibe. Ich wische etwas Staub mit dem Handschuh weg. Der Vitrinenboden schwingt noch mehr.

Und so bewundere ich Leute wie Norbert Faust und Martin Kügler, die demnächst mit ruhiger Hand wertvolles Glas darauf stellen werden. Und dass noch nie seit Eröffnung des Museums auch nur ein einziges Objekt zerbrochen ist.
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