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Sammer geht seinen eigenen Weg

Der Dresdner wird als Manager beim VfL Wolfsburg ins Gespräch gebracht, aber er hat andere Pläne.

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© dpa

Von Sven Geisler

Plötzlich ist sein Name wieder in aller Munde. Dabei hat er selber nichts gesagt – und vermutlich nicht einmal jemand versucht, mit ihm zu sprechen. Das behauptet zumindest Wolfgang Hotze. Der Geschäftsführer des Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg sucht seit Montag einen Nachfolger für den entlassenen Manager Klaus Allofs. „Wir beschäftigen uns noch nicht mit Namen“, sagte Hotze der Deutschen Presse-Agentur.

Trotzdem werden schon Kandidaten gehandelt. Außer Horst Heldt, zuletzt bei Schalke 04 in Ungnade gefallen, und Jens Todt, früherer Nachwuchschef beim VfL, wird in einigen Medien auch Matthias Sammer genannt. Der gebürtige Dresdner hatte im Juli seinen Vertrag als Sportvorstand beim FC Bayern München aufgelöst.

Er wäre also theoretisch frei. Aber ist er praktisch interessiert? Die Wahrscheinlichkeit tendiert gegen null. Sammer hat schon länger kein Interview mehr gegeben, für die Sächsische Zeitung aber eine Ausnahme gemacht. In dem Gespräch ging es um seine gemeinsame Zeit mit Vater Klaus bei Dynamo, die Besonderheit eines familiären Trainer-Spieler-Verhältnisses; es erscheint in der Fußball-Pause nach Weihnachten.

Zu seiner Zukunft wollte er sich jedoch nicht äußern, seine Pläne werde er „irgendwann mal in Ruhe benennen. Jetzt wäre es zu früh.“ Das klingt nicht, als würde er von heute auf morgen bei einem neuen Verein in den alten Job zurückkehren. „Ich habe gesagt, als ich gegangen bin: Ich möchte meinen eigenen Weg gehen. Das wird auch so sein“, bestätigt Sammer der SZ.

Im April musste er wegen einer Durchblutungsstörung im Gehirn, die öffentlich als „winzig“ eingestuft wurde, behandelt werden. Wenige Wochen später erklärte der 49-Jährige seinen Rückzug. Er habe zuletzt viel über die Aufgaben als Sportvorstand nachgedacht. Es bedeute, „sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag mit aller Energie dem Klub, der Mannschaft und auch der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stehen. Diesen Aufgaben möchte ich im Moment nicht nachkommen.“

Gesundheitlich spricht nichts gegen einen Wiedereinstieg. „Es geht mir sehr gut, meine Gesundheit ist vollständig wiederhergestellt“, sagt Sammer. Er kümmere sich um seine Familie, sein Leben, beobachte alles und bereite seine Zukunft vor. Inhaltlich wollte er das jedoch nicht weiter erläutern. Eine Rückkehr in den Profi-Fußball scheint er jedoch nicht anzustreben, jedenfalls nicht ins operative Geschäft.

Anfang November hatte es schon einmal aufgeregte Gerüchte gegeben, der türkische Rekordmeister Galatasaray Istanbul bemühe sich um ihn als Sportdirektor. Was dran war? „Die Frage beantworte ich Ihnen nicht“, sagt Sammer, „das können Sie selbst mit gesundem Menschenverstand.“ Was er meint: Die Frage stellt sich anders, nämlich: Welcher Klub könnte für ihn so interessant sein, damit er überhaupt über eine Anfrage nachdenkt?

Sammer ist nach seiner überaus erfolgreichen Spieler-Karriere als Trainer mit Borussia Dortmund auf Anhieb Meister geworden; 2002 mit 34 als bis dato jüngster Chefcoach in der Geschichte der Bundesliga. Er hat von 2006 bis 2012 als Sportdirektor beim Deutschen Fußball-Bund Strukturen entwickelt. Im Sommer 2012 nahm der Sachse, der mit seiner Frau Karin und den drei Kindern seit Jahren in Grünwald bei München wohnt, das nicht nur finanziell lukrative, sondern auch sportlich reizvolle Angebot des FC Bayern an, „einem der besten Vereine der Welt“, wie er betont. Während seiner Amtszeit holte der deutsche Rekordmeister viermal den Titel, wurde dreimal DFB-Pokalsieger, gewann die Champions League, die Klub-WM und den Uefa-Supercup. Wo könnte er diese Liste der Erfolge fort- und sogar etwas draufsetzen?

Sein Vater Klaus Sammer, der Matthias als Trainer zur ersten Mannschaft bei Dynamo geholt hat, hält es für „Irrsinn“, seinen Sohn mit einem Klub in der Türkei in Verbindung zu bringen. „Dann müsste ich ja gar keine Ahnung haben“, sagt er. Ein Krisenmanagement in Wolfsburg dürfte kaum reizvoller sein. „Ich glaube nicht“, meint der Vater. „Er war sehr erfolgreich als Spieler und Trainer, hat beim DFB und dem FC Bayern gearbeitet, immer oben mitgemischt. Vielleicht kann er von diesem Erfahrungsschatz anderen etwas weitergeben.“

Das Blutgerinnsel hätte zu einem Schlaganfall führen können. „Es ist geheilt, alles gut“, sagt Klaus Sammer, „aber es ist ein Warnsignal: 24 Stunden unter Strom stehen, sieben Tage die Woche, das ganze Jahr – muss man sich das antun?“ Sammer junior ist nicht nur fußballverrückt, sondern auch ein Familienmensch, das hat er immer betont. Die Kinder Sarah und Marvin-Matthias sind erwachsen, Leon ist 14. Zeit zu haben, ist ein kostbares Gut. Klaus Sammer könnte sich vorstellen, dass Matthias bei keinem Verein mehr anfängt. „Jetzt habe ich nur noch eine Mannschaft, der ich die Daumen drücke, und das ist Dynamo. Vorher hatte ich zwei“, meint der 74-Jährige mit einem Schmunzeln.

In Wolfsburg übernimmt vorerst Allofs’ langjähriger Assistent Olaf Rebe interimsweise den vakanten Posten. Sollte zeitnah kein neuer Manager gefunden werden, muss er in der Winterpause den personellen Umbruch beim VfL vorantreiben. An erster Stelle steht dann wohl die Trainersuche, denn in bislang sieben Spielen unter Valerien Ismael holte die teure Truppe um Nationalspieler Mario Gomez nur vier Punkte. Über Sammer als möglichen Nachfolger muss dann nicht spekuliert werden.