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Santiano in der Dresdner Friedrichstadt

Julia Bleschke sitzt im Rollstuhl und ist auf die Hilfe ihrer Eltern angewiesen. Um ihnen zu danken, wuchsen drei Musiker über sich hinaus.

Von Nadja Laske
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Ein Hauskonzert der besonder Art: Musiker des MDR-Sinfonieorchesters spielten für Julia Bleschke und ihre Eltern Petra und Hans-Jürgen.
Ein Hauskonzert der besonder Art: Musiker des MDR-Sinfonieorchesters spielten für Julia Bleschke und ihre Eltern Petra und Hans-Jürgen. © René Meinig

Dresden. Es muss nicht immer ein Konzertsaal sein. Auch unter freiem Himmel stimmt am Dienstagmittag die Akustik. Wie im Opernhaus steht gegen zwölf das Publikum eines ganz besonderen Auftrittes auf den Balkonen eines Friedrichstädter Wohnkomplexes und lauscht erstaunt - jeder Gast von seiner privaten Loge aus. Die Hauptpersonen aber hören vom Hof aus zu: Es sind Petra und Hans-Jürgen Bleschke mit ihrer Tochter Julia. Ihr verdanken sie dieses einzigartige Erlebnis, und sie verdankt auch ihnen eine Menge.

Vor den drei Zuhörern haben drei Posaunisten ihre Instrumente an die Lippen gehoben und beginnen ihr Konzert mit einer klassischen Komposition. Darin fühlen sich die Musiker des MDR-Sinfonieorchesters heimisch. 

"Ich möchte meinen Eltern sagen, wie dankbar ich bin"

Doch das zweite Stück braucht Erklärung: "Ich muss ja zugeben, dass ich bis gestern die Band Santiano noch nicht kannte", sagt Uwe Gebel. Als der Sender die Idee an ihn heran getragen hatte, Menschen musikalisch zu danken, die in diesen Krisenzeiten Besonderes leisten, sei er begeistert gewesen. Deshalb steht der Künstler nun hier und hat zuvor alles daran gesetzt, etwas fast Unmögliches wahr zu machen. 

Im Internet hatte Julia Bleschke von dieser Möglichkeit des Dankes per "Lieder-Lieferdienst" gelesen und sofort an ihre Eltern gedacht. In einer Mail schilderte sie ihre schwierige Situation und bewarb sich um ein Ständchen. 

"Ich möchte meinen Eltern damit sagen, wie dankbar ich ihnen bin, dass sie immer für mich da sind, und jetzt ganz besonders." Julia sitzt im Rollstuhl und gehört zur Corona-Risikogruppe. "Ich kann zur Zeit nicht allein einkaufen gehen, das erledigen meine Eltern seit Wochen für mich", erzählt die 34-Jährige. Außerdem sind sie in dieser verstörenden Zeit eine große seelische Stütze für Julia, der all die Nachrichten und Ereignisse arg zusetzen.

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Weil es aber eine ganz persönliche Überraschung für Petra und Hans-Jürgen werden sollte, bat sie um einen Musikwunsch: "Wir sind alle große Santiano-Fans und hatten uns schon sehr auf das Konzert in Dresden gefreut. Wegen Corona muss es sehr wahrscheinlich ausfallen." Also wünschte sich Julia für ihre Eltern einen Song ihrer Lieblingsband. 

Als Uwe Gebel und seine Musikerkollegen davon erfuhren, waren sie zunächst ratlos. Keiner von ihnen hatte je Santiano gehört, geschweige denn gespielt. Nach kurzer Überlegung gingen sie das Abenteuer an. Ein befreundeter Musiker schrieb dem Trio kurzerhand zwei Lieder der deutschen Band aus dem hohen Norden um, so dass drei Posaunen sie spielen konnten.

Applaus von den Balkonen

Passenderweise wählten sie den Song "Wie Zuhause" aus, als Hommage an die Menschen, die derzeit daheim bleiben müssen, im Allgemeinen, und an Julias Eltern im Besonderen. Nur wenige Stunden Zeit hatten die Posaunisten für ihre Probe, aber immerhin so viel, dass sie auch noch "Garten Eden" einstudierten. 

Damit war die Freude komplett. "Wir haben wirklich erst heute früh davon erfahren, dass Julia eine Überraschung für uns vorbereitet hat", sagt Hans-Jürgen Bleschke. Das Konzert endet mit lauten Applaus, nicht nur aus dem Hof, sondern auch von den Stehplätzen auf den Balkonen ringsum. 

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