Von Dirk Schulze
Es müssen keine staatstragenden Akten oder teuren Erbstücke sein. Und auch das Alter ist nicht entscheidend. Nein, gerade das, was zu Hause bei Eltern und Großeltern unbeachtet in Schubladen und Schränken schlummert, ist für den Historiker Gold wert. Familienfotos von Wanderausflügen oder Gaststättenbesuchen in der Böhmischen Schweiz zum Beispiel oder Bilder und Postkarten, auf denen das Stadtbild von Dolni Poustevna in den 1960er und 70er-Jahren zu sehen ist. „So etwas ist absolut hervorragend“, sagt Robert Rösler, der Leiter der Städtischen Sammlungen Sebnitz. „Das sind zeitgeschichtliche Dokumente, die besonders wertvoll sind.“
Gemeinsam mit der Nachbarstadt Dolni Poustevna suchen Rösler und die Mitarbeiter des Heimatmuseums jetzt nach historischen Dokumenten, Akten, Bildern und Fotos der Grenzregion rings um Dolni Poustevna. Die sollen dann digitalisiert und der Nachwelt auf einer zweisprachigen Website zugänglich gemacht werden. Interessierte Hobbyhistoriker und Forscher können dann bequem über das Internet darauf zugreifen.
Entstanden ist die Idee aus einer historischen Schau in Dolni Poustevna. Anders als Sebnitz besitzt die böhmische Nachbarkommune kein eigenes Heimatmuseum. Also rief die Stadtverwaltung die Einwohner auf, historisches Material zur Geschichte der Stadt und der Grenzregion für eine einmalige Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Bevor die Sachen nun an die Besitzer zurückgehen, sollen sie digitalisiert werden. Das passiert nicht mit einem handelsüblichen Scanner für den Heimcomputer, sondern auf professionellem Niveau mit einem Gerät, wie es auch in Bibliotheken und Archiven verwendet wird. Das hat den Vorteil, dass die wertvollen Akten nicht ständig gedreht und Bücher beispielsweise nicht komplett aufgeklappt werden müssen. Es geht darum, die historischen Dokumente so schonend wie möglich zu behandeln.
Dolni Poustevna hat zu diesem Zweck eine Ziel-3-Förderung von der Euroregion Elbe/Labe zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erhalten. Davon profitiert auch das Sebnitzer Heimatmuseum, denn es kann seine eigenen Bestände zu Dolni Poustevna gleich mit digitalisieren lassen. Das Museum verfügt unter anderem über Zeitungsberichte vom Beginn des 20. Jahrhunderts, die sich mit Ereignissen im damaligen Niedereinsiedel befassen. Daraus geht beispielsweise hervor, dass die böhmischen Nachbarn die Sebnitzer zeitweise mit Wasser versorgt haben.
Doch da sich die Bestände des Museums in Grenzen halten, ruft Rösler die Einwohner von Sebnitz und Umgebung auf, das Projekt zu unterstützen. Wer also über Fotos oder Dokumente zur Region rings um Dolni Poustevna verfügt, auch aus der jüngsten Vergangenheit, kann damit einfach im Heimatmuseum vorbeikommen und sich an dem Vorhaben beteiligen, die Geschichte der Region für die Nachwelt zu erhalten. Getan hat das der Sebnitzer Uwe Wolf. Er besitzt eine Sammlung von 154 Postkarten aus dem 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Karten zeigen neben dem alten Niedereinsiedel unter anderem historische Aufnahmen von Mikulášovice (Nixdorf), dem Tanzplan, dem Kirnitzschtal und der angrenzenden Böhmischen Schweiz. Die Postkarten werden demnächst eingescannt und sind in Zukunft auf der deutsch-tschechischen Internetseite zu dem Projekt zu finden. Online gehen soll die Seite bereits im Sommer. Anschließend wird sie fortwährend ergänzt.