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Schatz ruht viele Jahre versteckt hinter Fassaden

Leipziger Buchbinder bergen vor dem Abriss aus einem Hinterhofgebäude der Pestalozzistraße alte Druckerei- und Buchbindemaschinen.

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Von Gabriele Gelbrich

Am Eckhaus in der Pestalozzistraße stehen große Bau-Container unter den Fenstern. Von drinnen ist Poltern zu vernehmen. Staubwolken quellen aus den Fenstern. Die neuen Eigentümer – Firma Köhler & Köhler aus Wallbach – sind zurzeit dabei, das alte Gründerzeithaus zu beräumen und zu sanieren. „Es sollen in den nächsten Wochen drei bis vier Wohneinheiten im Haus fertig werden“, erklärt Miteigentümer Dirk Köhler.

Noch türmen sich in den Nebengelassen im Haus Papier und altes Zeug. Im Flur steht ein Klavier neben jeder Menge Müll und vergessenem Hausrat. Doch so interessant wie dieses alte Haus auch sein mag, wirklich spannend wird es erst im Innenhof. Versteckt, am Ende eines überwucherten Weges lugt ein altes verfallenes Gebäude hervor: Die Druckerei und Buchbinderei Colditz. Heute ist das über hundert Jahre alte Manufaktur-Gebäude verfallen und steht für den Abriss bereit.

Wo seit der Zeit um 1900 qualitätsvolle Bücher gedruckt und gebunden, Plakate, Kirchensteuerformulare zur Abrechnung in „Deutscher Mark“, Ertragslisten der Milchkühe und Postauftragskarten mit den Währungsangaben „Reichsmark“ aus der Presse kamen, wird bald der Abrissbagger anrollen. Doch vorher konnten Teile einer noch komplett im Gebäude befindlichen Manufaktur geborgen werden. „Wir wissen schon seit sieben Jahren von dieser alten Druckerei in Hartha“, berichtet Volker Siehe, Buchbinder aus Leipzig. Er und sein Mitstreiter Folker Keck bemühten sich mehrmals darum, Kontakt zur damaligen Eigentümerin Ursula Menzel in Johnsbach aufzunehmen. „Wir baten sie darum, die alten Maschinen bergen zu dürfen“. Doch auf die Briefe habe man leider nie eine Antwort erhalten, erklärt der Inhaber einer Buchbinderei in Leipzig-Connewitz. Erst Anfang des Jahres bekamen die beiden vom neuen Eigentümer grünes Licht zur Beräumung. Für einen großen Teil des Inventars kam dies allerdings zu spät.

„Wir konnten einige gute Maschinen bergen“, berichtet Volker Siehe stolz: „Darunter ist eine Zylinderschnelldruckpresse von 1907.“ Die habe man bereits entrostet und wieder in Gang gebracht. Auch auf den kleinen 3-Seiten-Schnellschneider ist der „Retter in letzter Not“ stolz. Für das zum Teil qualitätsvolle Buchdruckerpapier kam jedoch jede Hilfe zu spät. „Gerade ein Prozent des gesamten Vorrates haben wir zur weiteren Verwendung mitgenommen. Wir hätten vier oder fünf Jahre früher hier ausräumen müssen“, ärgert sich Siehe. Durch das baufällige Gebäude sei viel zerstört worden. Ihren „Harthaer Schatz“ bereiten die beiden Leipziger nun wieder auf, entrosten, ölen und polieren. „Einiges werden wir in der eigenen Werkstatt verwenden, andere Maschinen geben wir an Freunde oder Kollegen ab“, so der Leipziger.

In den 80er Jahren hatte die einstige Eigentümerin Ursula Menzel, Erbin der Harthaer Druckerei Colditz, mit ihrem Mann, nachdem sie viele Jahre lang das Schreibwarengeschäft leitete, die Stadt Hartha in Richtung Johnsbach im Erzgebirge verlassen. Die Werkstatt auf dem Hinterhof war damals noch komplett eingerichtet. Einige Befragte erinnern sich noch genau an den Schreibwarenladen im Vorderhaus: „Der war immer so dunkel“, heißt es einhellig.

Der Geschäftsraum bleibt übrigens erhalten – Nach der Sanierung wird er vermutlich nicht mehr so düster sein.