Von Susan Ehrlich
Sandro Mieth ist noch immer empört. Einkaufen sei er gewesen, zusammen mit seiner Freundin. Doch als sie schon fast zu Hause waren, sei er angegriffen worden. „Ich habe vier, fünf Personen auf uns zukommen sehen und gleich das Handy gezückt und die Polizei angerufen“, sagt der 38-Jährige. Denn er habe geahnt, was auf ihn zukomme. Zum Fotomachen sei er nicht mehr gekommen, denn drei der Männer hätten ihn festgehalten. Tritte gegen das Schienbein und Reizgas im Gesicht sei das Nächste gewesen, was er spürte. „Und es kamen immer mehr von ihnen dazu“, sagt der Mann. Seine Freundin, die wenige Meter entfernt stand, bestätigt jedes Wort.
Sie wohnt ganz in der Nähe des Löbauer Asylbewerberheimes an der Georgewitzer Straße. Und beide sind sich sicher, dass ihre Angreifer am 22. März auch genau von dort kamen. Mieth glaubt an einen „Racheakt“, habe er doch im Vorfeld schon mehrfach vor allem Kinder, die im Heim untergebracht seien, im nahen Einkaufsmarkt beim Stehlen beobachtet. „Doch immer, wenn ich sie zur Rede stellen wollte, haben sie ihre Beute wahllos in die Regale geworfen“, sagt Mieth. Beweisen können habe er somit nie etwas. „Doch seitdem waren einige von ihnen wohl wütend auf mich“, vermutet der Mann. Nach dem Angriff vor gut zwei Wochen habe er dann auch Anzeige erstattet. Die Polizei habe vor Ort Personalien aufgenommen.
Das kann Polizeisprecherin Susanne Heise von der Polizeidirektion Görlitz bestätigen. Allerdings sind der im März erfolgten Anzeige von Sandro Mieth laut ihrer Auskunft offensichtlich schon Wortwechsel zwischen dem Geschädigten und seinen vermeintlichen Angreifern vorausgegangen. „Zu besagtem Sachverhalt werden aktuell drei vorliegende Anzeigen beim Dezernat Staatsschutz der Kriminalpolizei bearbeitet“, so Frau Heise. Demnach stehen wechselseitig begangene Straftaten im Raum: „Körperverletzungen, Beleidigungen, Bedrohungen, deren Aufarbeitung noch am Anfang steht.“ Um die Ermittlungen nicht zu stören, könne die Polizei vorerst keine weiteren Informationen herausgeben.
Dem Landratsamt des Kreises Görlitz war der von Herrn Mieth geschilderte Zwischenfall bis gestern nicht bekannt. Insgesamt sei das Löbauer Asylbewerberheim mit seinen jetzt fast 200 Bewohnern zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings auch kein Brennpunkt, heißt es von dort. Die Situation der Heimbewohner sei zudem keine einfache. „Die Leute, die in die Heime des Landkreises kommen, waren zuvor in Chemnitz und Schneeberg untergebracht, werden dann gleich wieder umverteilt, haben völlig verschiedene Lebensgeschichten, Nationalitäten und Hintergründe“, versucht Elke Glowna, Leiterin des Kreis-Ordnungsamtes, um etwas Verständnis zu werben. Auch seien sie mit dem Standard, den Deutschland zu bieten hat, meist noch nie konfrontiert gewesen. „Dennoch haben selbstverständlich auch Asylbewerber und Flüchtlinge alle in Deutschland geltenden Gesetze zu beachten. Darüber sind sie auch informiert“, so Frau Glowna. Da Strafanzeigen gegen beide Seiten gestellt wurden und laufende Verfahren vorliegen, könne die Verwaltung den Ermittlungen nicht vorgreifen und den Vorfall auch nicht näher beurteilen.
Elke Glowna greift aber eine Idee auf, die sie vom Löbauer Stadtrat der Links-Fraktion, Joachim Herrmann, gehört hat: Um Asylbewerberfamilien zu zeigen, dass sie ernst genommen werden, seien Patenschaften eine gute Sache. Denn der Kreis sei lediglich Unterbringungsbehörde und habe in solchen Fällen kaum Handhabe.
Sandro Mieth indessen sagt, er werde auch weiterhin einschreiten, wenn er Leute beispielsweise beim Ladendiebstahl beobachtet. Denn so etwas könne einfach nicht sein. Dabei ist es egal, ob es sich um Einheimische oder Asylsuchende handelt.