Von Heike Sabel
Das Verlieren einer Wette kann langanhaltende Folgen haben. Seit fünf Jahren versucht Uwe Radtke, seiner Posaune Töne zu entlocken. Und das alles nur, weil er etwas überheblich behauptete, Posaune kann ja jeder blasen. Erik Sirrenberg nahm ihn beim Wort. Er ist der Leiter des Neustädter Posaunenchores und bringt den Frauen und Männern mehr als die Flötentöne bei.
Nächtliche Übungen im Keller
Bis Meister Sirrenberg mal zufrieden ist, dauert es eine Weile. „Das klingt teilweise gar nicht schlecht“, ist schon in den höchsten Tönen gelobt. Öfter sind in der Probe Sätze zu hören wie: „Die erste Stimme nicht so ratzen“ oder: „Erst gucken, dann blasen.“ Auch vor Bemerkungen wie „Schläfst du schon oder bläst du noch“ schreckt er nicht zurück.
„ Aber wir kennen ihn ja“, sagt Karen Schönmuth. Von nichts wird schließlich nichts, und blamieren will man sich ja auch nicht. Zum Beispiel am Sonntag zum Festgottesdienst anlässlich des 80-jährigen Bestehens des Neustädter Chores. Oder bei den jährlich 20 Auftritten.
Gert Domaschke übt sogar jeden Tag. Naja, fast. Aber er ist ja auch noch bei den Hohnsteiner Blasmusikanten Erster Trompeter. Dafür muss man schon was tun. Und manchmal ist es eben das Üben bis abends halb zehn im Keller.
Der Chor aus Leidenschaft
Als Kind kannte er eher die Noten als die Buchstaben. Doch dann hatte Domaschke 35 Jahre kein Instrument in den Händen. 2001 begann er wieder, und seit anderthalb Jahren ist er im Posaunenchor. „Der Chor ist Liebhaberei“, sagt Domaschke. Eine ganz leidenschaftliche. Immer wieder wippt er sacht mit dem Fuß den Takt mit. Die anderen haben anscheinend mit dem Zählen zu tun. „Nicht bis drei zählen, nur bis zwei“, sagt Sirrenberg. Ein Außenstehender staunt, die Musiker schauen auf die Noten.
D ann teilt Michael Hänsel die Notenhefte aus der blauen Einkaufskiste aus. Sein Bariton-Instrument blitzt und blinkt mehr als bei den anderen. Da putzt er sich wahrscheinlich die Finger wund. „Nee“, sagt der kleine junge Mann und lacht keck. „Das ist lackiert, das muss ich nicht putzen.“ Nach anderthalb Stunden stöhnt Karen Schönmuth. Obwohl die 38-jährige Krankenschwester seit 30 Jahren Trompete spielt, ist sie doch keine Berufsmusikerin. „Wir haben das nicht studiert, uns fehlt die Theorie.“ Trotzdem macht es ihr Spaß. Sonst hätte die Neustädterin nicht ihre erste Trompete gegen eine neue getauscht.
Zur Probe am Mittwochabend ist Karen Schönmuth die einzige Frau. Sonst sind es zwar mehr, aber leider weniger als noch vor einiger Zeit. Dafür gehören etliche junge Leute zur Truppe. Einer der Schüler ist gerade auf Klassenfahrt und fehlt deshalb. Viele der Jüngeren gehen aber irgendwann durch Studium oder Arbeit weg, bedauert Sirrenberg. So proben die Neustädter und Stolpener inzwischen zusammen.
Bis aus Tönen Musik wird
Wer mit dem Spielen anfängt – egal, ob wegen einer Wette oder aus Interesse – sollte Geduld mitbringen. Etwa drei Jahre dauert es, bis nicht nur Töne aus der Posaune, Trompete oder dem Horn kommen, sondern eben richtige Melodien. Auch wenn Sirrenberg hohe Anforderungen stellt, ist ihm klar: Es ist für die Frauen und Männer ein Hobby. Eines, das die Neustädter schon vor 80 Jahren begeisterte.
Leider ist aus der Geschichte nicht mehr viel überliefert. Nur ein Eintrag in den Kirchennachrichten und ein Stempel verweisen auf das Jahr 1926. Die Stolpener Posaunisten sind dagegen junge Hüpfer. Sie feiern nächstes Jahr ihren 30. Geburtstag. Dieses Wochenende aber gratulieren sie erstmal den Neustädtern.