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Schläge und Tritte in der S-Bahn

Ein vierjähriges Kind quengelt. Ein Mitreisender will es beruhigen. Darastet der Vater aus.

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Von Jürgen Müller

Die vierjährige Tochter des Angeklagten ist offenbar ein sehr aufgewecktes Kind. Im August vorigen Jahres fahren die beiden und die Mutter des Kindes so gegen 21 Uhr mit der S-Bahn von Meißen nach Dresden.

Das Kind ist wohl nicht nur sehr unruhig, sondern macht auch Radau. Das stört einen 45-jährigen Mitreisenden. Er geht zu dem Kind, sagt, wenn es schön still sitze, bekomme es von ihm etwas Schönes. Der Vater des Kindes reagiert äußerst aufgebracht. „He, Alter, quatsch’ mein Kind nicht so blöd von der Seite an“, soll er gesagt haben. Es soll noch weitere Beleidigungen gegeben haben.

Auge zugeschwollen

Da zieht sich der Passagier zurück. Doch es hilft nichts. Der 32-jährige Angeklagte verfolgt ihn. „Selbst seine Frau hatte keine Chance, ihn zu halten. Ich bin nach oben gegangen, aber er verfolgte mich, war auf Frontalangriff gedrillt und wollte in egoistischer Form seinen Willen durchsetzen“, sagt der Zeuge. Erst sei es ihm gelungen, die Angriffe abzuwehren, dann aber sei der Angeklagte mit den Fäusten durchgekommen.

Er verletzte den 45-Jährigen am Auge, er erlitt eine Platzwunde, das linke Auge schwoll zu. Durch Tritte des Angeklagten zog sich der Geschädigte Prellungen unter anderem am Brustkorb zu. „Ich konnte schlecht Luft holen und eine Woche nur flüssige Nahrung zu mir nehmen“, sagt der Zeuge.

Er habe nur helfen wollen. Das Kind sei übermüdet gewesen, die Eltern leicht genervt. „Wenn die Eltern es so schwer haben und ich etwas Süßes einstecken hatte, dachte ich, das Kind freut sich und beruhigt sich“, sagt er. Er selbst habe zwar keine Kinder, arbeite aber viel mit Kindern.

„Von Justiz im Stich gelassen“

Leicht möglich, dass sich der Vater durch die Reaktion des Mitreisenden bevormundet gefühlt hat, so etwa nach dem Motto „Du wirst mit dem Kind nicht fertig, jetzt komme ich mal und zeige dir, wie man das macht“, stellt der Richter fest.

So sieht das auch der Staatsanwalt. „Der Angeklagte wollte seine Tochter in Schutz nehmen. Er hat die Reaktion des Zeugen anders aufgefasst, es ist einiges schief gegangen in der Kommunikation“, sagt er, zumal die beiden einen „sehr unterschiedlichen Sprachgebrauch“ pflegten. Er spricht auch von einem „Zusammentreffen unglücklicher Umstände“.

Der Richter fragt den Angeklagten, ob er sich vorstellen könne, sich bei dem Geschädigten zu entschuldigen. Das macht der dann auch, allerdings ziemlich lustlos. Er habe ihn dabei nicht mal angesehen, das sei alles ziemlich unehrlich, wettert der Zeuge und hält einen kurzen Vortrag über die Tugenden eines Mannes, die der Angeklagte habe vermissen lassen.

Zivilrechtlich einklagen

Zu einer Verurteilung kommt es nicht. Weil der Angeklagte, der nicht vorbestraft ist, sich entschuldigt hat und somit ein Täter-Opfer-Ausgleich hergestellt wurde, stellt der Richter das Verfahren ein, nicht ohne den Hinweis, er hätte den Angeklagten auch verurteilen können. Der Geschädigte versteht die Welt nicht mehr. „Die Justiz hat mich im Stich gelassen“, sagt er. Unklar ist, ob er Schmerzensgeld erhält. Das muss er zivilrechtlich erstreiten.