SZ +
Merken

Schlammschlacht: Kettenmonster greifen an

Der Heidemühlenteich bei der Rabenauer Ortschaft Karsdorf hat sich vom Badeparadies und Fischtummelplatz zur größten Baustelle in der Stadtgemeinde gewandelt. Bagger fressen den Schlamm vom Grund – aber auch die Moneten aus der Stadtkasse.

Teilen
Folgen

Von Jörg Stock

Mit dem Gebrüll all seiner Zylinder kriecht das gelbe Untier ans Ufer. Der Boden bebt unter seinen schmierigen, endlos umlaufenden Gummisohlen. Durchs zitternde Birkenholz rumort das Ungetüm vorwärts zum Damm. Dort dreht es sein Hinterteil mit einem Ruck und lässt braune stinkende Masse von seinem Rücken rutschen.

Der Haufen ist beachtlich. Es ist der Bodensatz des Karsdorfer Heidemühlenteiches, den zwei Kipper mit Gleisketten hier auftürmen. Ingenieur Wolfram Kritzner wirft einen Blick auf den Modder. „Der Schlamm muss gelagert werden, bis der Wassergehalt unter 35 Prozent sinkt“, erklärt er. Erst dann geht die Reise auf straßentauglichen Lkws weiter zur Deponie im Freitaler Saugrund.

Kritzners Büro begleitet für die Stadt Rabenau das Projekt – eine der ehrgeizigsten und teuersten Hochwasserschutzmaßnahmen in der Gegend. Etwa 30 000 Kubikmeter Schlamm sollen vom Teichgrund verschwinden, damit neue Fluten in Zukunft mehr Platz haben (SZ berichtete). Mitte Juni begannen die Bagger sich in den Dreck zu fressen. Jetzt, so schätzt Rabenaus Bauamtschef Falk Seidel, sind etwa zwei Drittel des Schlamms beräumt. Die jüngsten Gewittergüsse hätten die Arbeiten jedoch um zwei Wochen zurückgeworfen, meint Seidel. Im Matsch sinken die Bagger ein und der Abtransport stockt, wenn die Pampe zu feucht ist.

Für die Lkws, die den Schlamm nach Freital karren, ist extra eine Baustraße angelegt worden, die vom Teich den Anschluss an die B 170 herstellt. Nur selten müssen die Kipper durch den Campingplatz rumpeln, der oberhalb der Heidemühle am Hang liegt.

Camper haben Verständnis für Gerumpel

So findet Betreiber Hagen Kusebauch nur lobende Worte für die Bauleute. Die Zusammenarbeit mit der Firma laufe unerwartet gut, es gäbe keinerlei Beschwerden. Auch die Camper hätten Verständnis. „Viele waren selbst von der Flut betroffen, die wissen schon, worum es hier geht“, sagt Kusebauch.

Der Heidemühlenteich soll nach seiner Kur das gesamte Oelsabachtal vor Hochwasser schützen, also ganz Oelsa und das untere Rabenau. Die Ausbaggerung ist auf diesem Kurs nur eine Etappe. Noch in diesem Monat soll die Überholung und der teilweisen Neubau von Grundablass und Wehr beginnen. Beide Bauwerke sind so marode, dass sie bei der Augustflut den Dienst versagten und den Teich sogar über die Krone treten ließen. Indessen läuft die Finanzplanung der Stadt den steigenden Kosten hinterher. Im Mai rechnete man noch mit weniger als einer Million Euro für das gesamte Projekt. Jetzt ist diese Schwelle schon weit überschritten.

Die Ausschreibung für den zweiten Bauabschnitt, also für die Instandsetzung der Auslaufbauwerke und die Renaturierung der Uferbereiche, wurde Anfang Juli sogar per Stadtratsbeschluss aufgehoben. Der einzige in Frage kommende Bieter wollte die Aufgabe für gut 557 000 Euro erledigen – etwa 100 000 Euro mehr, als eingeplant.

Bauamtsleiter Seidel macht den nachhochwässerlichen Boom in der Baubranche zum Teil für die Kostenexplosion verantwortlich. Große Mengen Fördergelder seien auf dem Markt, fähige Firmen würden knapp.

Jetzt hat der Stadtrat auf einer Sondersitzung den zweiten Bauabschnitt in zwei Lose geteilt und getrennt an zwei verschiedene Firmen vergeben. Dabei sei eine Einsparung von 58 000 Euro gegenüber dem ersten Angebot erzielt worden, sagt Ingenieur Kritzner.

Eigentlich sollte im hinteren Teil des Teiches noch eine Vorsperre errichtet werden. Aber dieses Projekt mussten die Stadtväter erst mal auf Eis legen, weil hinter der Finanzierung des 200 000 Euro-Vorhabens jetzt ein großes Fragezeichen steht.KOMMENTAR