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Schleifsteine für die ganze Welt

Pirna war im 19. Jahrhundert internationaler Exporteur für Rundsteine. Davon sind heute noch Rohlinge übrig.

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Von Heinz Gliniorz

Über Jahrhunderte sprach man bei der Herstellung von Rundsteinen schlicht von Mühlsteinen. Diese begehrten Erzeugnisse aus Sandstein wurden mit der wachsenden Industrialisierung ab dem 19. Jahrhundert immer begehrter, auch in anderen Branchen.

Als Kollersteine zum Zerkleinern haben diese Rundsteine jahrelang gute Arbeit geleistet. Und mit der Erfindung des Holzschliffs als Ausgangsstoff zur Papierherstellung durch Friedrich Gottlob Keller aus Krippen bestimmte der stetige Anstieg des Papierbedarfs die Zahl der in den Steinbrüchen und in den Steinbearbeitungsbetrieben anzufertigenden Holzschleifsteine. Äußerlich waren diese Schleifer kaum von den bis dahin hergestellten Mühlsteinrohlingen zu unterscheiden.

Die neuen Produkte waren aber viel größer und stärker. Sie hatten demzufolge größeres Gewicht. Pirnas Sandsteinbrüche erlebten nach Mitte des 19. Jahrhunderts schwierige Zeiten, die auch Arbeitsniederlegungen brachten. Je näher die Jahrhundertwende rückte, desto besser liefen dann aber die Geschäfte wieder. Grund dafür war nicht nur die rege Bautätigkeit in den rasch wachsenden Städten, die nach Sandstein vor allem für repräsentative Bauten verlangten. Auch die Industrie fragte nach Sandsteinprodukten, vor allem in Form von mächtigen Holzschleifsteinen.

Bereits 1897, so beschreiben es zeitgenössische Quellen, hatte die Firma Schmidt & Herrmann ihren 19 000. Schleifstein produziert. Er wurde mit einem großen Fest gefeiert, mit Tannengrün und farbigen Stoffschleifen geschmückt und an den Steinladeplatz an der Elbe transportiert. Auf dem Wasserweg wurde der Stein über Hamburg nach Finnland in eine Papiermühle gebracht.

Die Firma Gebrüder Israel lieferte bis zum Jahr 1910 insgesamt 25 000 Holzschleifer in zahlreiche europäische Länder und nach Russland. Ein unter der Bezeichnung Sächsische Sandsteinindustrie fungierender Hersteller von Sandsteinartikeln verkaufte in dieser Zeit 42 000 Holzschleifer auch an zahlreiche Abnehmer in Übersee. Mit dem weltweiten Vertrieb von Holzschleifsteinen aus dem geschätzten Elbsandstein wurde die Stadt Pirna in dieser Zeit ein angesehener Partner der Weltwirtschaft.

Zeugen der Heimatgeschichte

Doch die Zeit der Schleifsteine aus Sandstein fand nach dem Ersten Weltkrieg ein rasches Ende. Die Einführung einer neuen Technologie bei der Papierstoffherstellung machte den Bedarf an Schleifern aus Sandstein überflüssig. Der daraus folgende Bedarfsrückgang führte zwangsläufig nicht nur zur schrittweisen Einstellung der Schleiferfertigung, sondern auch zur Auflassung zahlreicher Bruchbetriebe in der Pirnaer Region.

Beachtenswert ist dabei die Tatsache, dass seit dieser Zeit eine sehr große Anzahl der Sandsteinrohlinge in unvorstellbaren Abmessungen in den stillgelegten Steinbrüchen und an den ehemaligen Abfuhrstellen zu sehen ist. Es ist an der Zeit, dass diese unwiederbringlichen Zeugen der Heimatgeschichte unter Schutz gestellt werden.