Von Peter Redlich
Das Wetter ist symptomatisch für den derzeitigen Zustand in der Pharmafabrik von Arevipharma in Radebeul. Eigentlich wollten die Chefs um Hendrik Baumann mit einem Fotografen im Heißluftballon in die Luft steigen, um Fotos von oben vom Gelände zu machen. Der Start schlug fehl. Die Wolken hingen noch zu tief. Aber am Horizont klarte es auf.
Seit über einem Jahr kämpfen die Manager des letzten großen Radebeuler Arzneimittelherstellers um den Erhalt der Firma. Veränderte Bestimmungen bei Krankenkassen hatten zu drastischen Einbrüchen beim Verkauf von Wirkstoffen geführt. Von 42 auf 30 Millionen Euro war der Umsatz von 2012 auf 2013 eingebrochen. „Wir mussten handeln“, sagt Geschäftsführer Hendrik Baumann.
Von 210 Mitarbeitern sind noch 120 beschäftigt. Ein großer Teil der entlassenen Mitarbeiter, etwa 60, sagt Personalleiter Daniel Hoffmann, ist in eine Transfergesellschaft gewechselt, wo für ein Jahr lang Weiterbildung und die Suche nach einem neuen Job möglich ist. Außerdem seien „für die Region ordentliche Abfindungen gezahlt“ worden, sagen die Manager.
Betriebsratsvorsitzende Bärbel Starke hat den Prozess begleitet. Sie sagt: „Der Einschnitt war mehr als schmerzhaft. Mit noch 120 Mitarbeitern sind die jetzigen Aufträge gerade zu bewältigen. Wenn, wie von allen erhofft, wieder neue Aufträge hinzukommen, werden auch wieder mehr Mitarbeiter gebraucht.“
Mit Entlassungen allein sei das Werk nicht zu halten, sieht das auch Werksleiter Baumann. Bei Arevipharma Radebeul werde vor allem auf die Neueinführung von Produkten gesetzt. Bislang gab es im Jahr zwei bis drei Projekte für Wirkstoffe für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, für Schmerzmittel oder Medizin gegen Krebs, an denen gearbeitet wurde. Jetzt seien es 20, die als Anfragen von potenziellen Kunden laufen oder schon in Bearbeitung sind. Die Firma sei dabei bis nach China, Japan und in die USA aktiv.
Baumann: „Früher haben wir Mengen von zehn bis 50 Tonnen hergestellt. Wenn davon etwas wegbricht, ist das Risiko eines Umsatzeinbruches groß, wie gerade erlebt. Jetzt geht es um Mengen zwischen 500 und 5 000 Kilogramm.“
Der Radebeuler Standort mit seiner erfahrenen Mannschaft sei für viele Abnehmer interessant. Wenn diese Interesse haben hier produzieren zu lassen, dann kommen deren Chemiker vor Ort und schauen sich um, ob alles passt. Im zweiten Schritt sind Laboruntersuchungen und Synthesen vorgesehen. Laufe das gut, dann werde eine erste Probemenge hergestellt und schließlich folge die Produktion.
„Es wird ein bis zwei Jahre dauern, bis wir eine größere Zahl von Produkten bei uns herstellen und alles darauf ausgerichtet haben“, sagt Werkleiter Baumann. Sicher sei, dass die Besitzer des Unternehmens, die Hexal-Gründer Thomas und Andreas Strüngmann, zum Standort Radebeul stehen und auch weitere Investitionen mittragen.
Um nämlich neuerdings viele kleine unterschiedliche Mengen herstellen zu können, muss beispielsweise die Kühlungstechnik einer Tiefkaltanlage auf den neuesten Stand gebracht werden. Das kostet rund 200 000 Euro. Auch ein Hochsicherheitslabor, um neue Schmerzmittel gegen Krebs herstellen zu können, die 100 000-fach wirksamer als Morphium sind, muss reaktiviert und modernisiert werden, so Baumann. Rund eine halbe Million Euro sind dafür eingeplant.
Und, die Arzneimittelwerker wollen ihr Gelände und ihre Häuser auch anderen anbieten. Finanz- und Personalchef Hoffmann: „Etwa ein Drittel unserer Fläche zwischen Meißner Straße und Bahngleisen wollen wir anderen Firmen anbieten.“ Auch Labors und Büroetagen könnten vermietet werden. Gut geeignet sei der Standort deshalb, weil kaum ein Gelände in der Gegend solche Zertifikate etwa für den Immissionsschutz vorzuweisen habe. Hier könnten sich Firmen der High-Tech-Branche wie der Nanotechnologie, der Chipherstellung bis zur Chemie selbst ansiedeln.
Genau deshalb nämlich wollten Baumann und Co. eigentlich in die Luft gehen – um Fotos mit Draufsichten vom Gelände anzufertigen. Im September sollen die auf einer Seite im Internet stehen, um Firmen gezielt auf den Standort aufmerksam zu machen. Die Stadt Radebeul und das Wirtschaftsministerium hätten Unterstützung bei der Werbung für das Areal zugesagt.
„2014 schreiben wir noch rote Zahlen, 2015 soll eine schwarze Null unterm Strich stehen. Und 2016 wollen wir wieder Gewinn machen“, sagt Hendrik Baumann zur Gesundung von Arevipharma.