SZ +
Merken

Schnelle Schnüffler

Dank ihrer guten Nasen können die Vierbeiner Menschen retten.

Teilen
Folgen
© Matthias Seifert

Von Kevin Schwarzbach

Riesa. Wenn Arma einmal Witterung aufgenommen hat, geht es meist ganz schnell. So auch in diesem Fall: Eine vermisste Person wurde zuletzt auf der Hauptstraße nahe dem ehemaligen Schlecker gesehen, dort beginnt die Suche. Nur wenige Sekunden, nachdem Sabine Richter ihrer italienischen Jagdhündin das Geschirr angelegt und einen Handschuh der Vermissten vor die Nase gehalten hat, spurtet Arma los. Sie zieht so intensiv an der Leine, dass Sabine Richter einiges an Kraft aufwenden muss, um das Tempo zu zügeln.

Arma ist ein Personenspürhund (englisch: Mantrailer). Sie ist darauf spezialisiert, die Fährten von Personen aufzunehmen. Und auch wenn die Suche am vergangenen Mittwochabend nur eine Trainingseinheit ist, absolviert sie Arma mit höchster Konzentration. Zielstrebig läuft die dreieinhalb Jahre alte Hündin die Hauptstraße entlang Richtung SZ-Redaktion – auch von anderen Hunden und dem neben ihr hereilenden Fotografen Matthias Seifert lässt sie sich nicht ablenken. Sie hat eine Aufgabe zu erfüllen: Die vermisste Person finden.

„In den meisten Fällen suchen wir nach Demenzkranken oder vermissten Kindern“, sagt Sabine Richter, Armas Hundeführerin und zugleich stellvertretende Leiterin der Rettungshundestaffel vom ASB Ortsverband Riesa e.V. „Den Hunden reicht dabei ein Gegenstand, der eindeutig der vermissten Person zugeordnet werden kann“, erklärt Sabine Richter. Die Hunde nehmen bereits minimale Geruchsfetzen wahr. Pro Minute verliert der Mensch tausende Hautschüppchen, die anschließend von Bakterien zersetzt werden – dem dabei entstehenden Geruch folgen die Hunde.

„Suchen können im Prinzip alle Hunde, es muss ihnen nur beigebracht werden, was sie suchen sollen“, sagt Sabine Richter. Für die Ausbildung unterscheidet die im März 2010 gegründete Rettungshundestaffel des Riesaer ASB-Ortsverbandes zwei unterschiedliche Einsatzbereiche: „Wir bilden einerseits Flächensuchhunde aus, die freilaufend vor allem in Waldgebieten eingesetzt werden, und andererseits Personenspürhunde, die an der Leine einer Fährte nachgehen“, sagt Sabine Richter. Während Flächensuchhunde jede im Suchgebiet entdeckte Person durch Bellen anzeigen, verfolgen Personenspürhunde die Individualspur einer einzelnen Person.

Eine zeitintensive Ausbildung

So auch Arma auf der Riesaer Hauptstraße. Über den Geruch des Handschuhs hat die Hündin die Fährte zu Dina Neumann – ebenfalls Mitglied in der Rettungshundestaffel – aufgenommen. Schnüffelnd steuert Arma die Hauptstraße entlang, schließt mögliche Abzweigungen aus und kommt dem Aufenthaltsort von Dina Neumann immer näher.

Doch bis ein Hund auf dem Level von Arma angekommen ist und wirklich in den Einsatz darf, ist viel Arbeit und Zeit nötig. „Die Ausbildung für die Flächensuchhunde dauert circa zwei Jahre, die für die Personenspürhunde ungefähr drei Jahre“, sagt Sabine Richter. Erst einmal muss der Hund einen grundlegenden Eignungstest bestehen, bei dem er sich von anderen Hunden, Krach und Feuer nicht ablenken lassen darf. Danach geht es in die Ausbildung. Zweimal in der Woche trainiert die Rettungshundestaffel des Riesaer ASB-Ortsverbandes und versucht die Schwächen der zurzeit zehn auszubildenden Hunde auszumerzen.

Nach circa zwei Jahren müssen die Personenspürhunde eine Vorprüfung bestehen, um überhaupt für die Hauptprüfung zugelassen zu werden. Ist die geschafft, bekommt der Hund eine Plakette, die ihn als geprüft auszeichnet. Acht geprüfte Flächen- und einen geprüften Personenspürhund kann die Rettungshundestaffel derzeit vorweisen. Die Hauptprüfung muss zudem Jahr für Jahr bestätigt werden. „Grundsätzlich ist unsere Rettungshundestaffel für jeden offen und wir freuen uns immer über Zuwachs. Doch potenzielle Bewerber sollten sich bewusst sein, dass es ein sehr zeitintensives Hobby ist, das wir ehrenamtlich ausüben. Wir trainieren wochentags meist nicht vor 18 Uhr“, so Sabine Richter.

Einklang von Tier und Mensch

Auch in Bezug auf die Hunde gibt es nur ein paar Voraussetzungen, wie Sabine Richter verrät: „Allen voran sollten die Hunde arbeitsfreudig und sozialverträglich sowie spiel- und lauffreudig sein.“ Die Besitzer sollten ihren Hund gut kennen. „Bei der Suche nach Vermissten ist es auch extrem wichtig, dass der Hundeführer weiß, was ihm der Hund sagen will“, so Richter.

Sie läuft wenige Meter hinter Arma, die Leine straff in ihrer Hand. Auf diese Weise kann sie nachvollziehen, in welche Richtung Arma sie führt. Die italienische Jagdhündin ist auf der Hauptstraße mittlerweile an der Post angekommen. „Ich spüre, dass sie gleich fündig wird“, sagt Richter, die den Aufenthaltsort der Vermissten nicht kennt, um Arma nicht zu beeinflussen. Und schon spurtet Arma die Treppen der ehemaligen Bank gegenüber der Post hinauf und entdeckt die gesuchte Dina Neumann. Prompt macht Sabine Richter ihrer Hündin einen Trinknapf fertig und gibt ihr eine Belohnung. „Die Hunde müssen auch zu spüren bekommen, dass sie erfolgreich waren. Deswegen werden sie mit Futter bestätigt“, erklärt Sabine Richter. Damit die Hunde ihre außergewöhnliche Leistung erkennen, steht meist gebratenes Fleisch, Käse oder Gemüse auf dem Plan – je nachdem, was dem Hund gefällt.

Damit die Hunde sich nicht an ein Suchgebiet gewöhnen, trainiert die Rettungshundestaffel des Riesaer ASB-Ortsverbandes so gut wie überall in Sachsen. Seit der Gründung im März 2010 war sie insgesamt 100-mal im Einsatz, zuletzt mit Arma in Leipzig bei der Suche nach der vermissten Inga. Arma stammt übrigens aus dem Italienischen und bedeutet „die Waffe“. Gefährlich ist die Hündin von Sabine Richter allerdings ganz und gar nicht – eine Waffe hat sie trotzdem: ihre Nase. Und die setzt sie für das Leben anderer Menschen ein.