Von Ulrich Augst
Sebnitz. Er ist ein Gast für wenige Monate: Wie der Wespenbussard ist auch der Baumfalke ein ausgesprochener Zugvogel, welcher ab Mitte April erscheint und schon im September unsere Heimat wieder verlässt. Während wir die bekannten Turmfalken überall im Land beobachten können, sind Begegnungen mit dem Baumfalken eher selten.
Das geschlossene Verbreitungsgebiet der Art in Sachsen beschränkt sich heute fast ausschließlich auf das nördliche Flach- und Hügelland. Unsere nahesten Brutplätze liegen in der großräumigen Umgebung von Stolpen. Noch vor 80 Jahren war der Baumfalke im Elbsandsteingebirge gleich häufig dem Wanderfalken, berichteten die damaligen heimischen Faunisten. Baumfalken sind etwa so groß wie Turmfalken. Sie sind oberseits dunkelgrau-schwarz. Den Kopf zieren, auf weißem Wangenfeld, ein dunkler Bartstreif und ein dunkler kleinerer Zacken dahinter. Die untere Partie ist stark längsgefleckt, auf ockerfarbenem Grund. Daher wirken die Vögel bei schlechter Beleuchtung oft recht dunkel. Die Federn unter dem Schwanz und an den Beinen sind von rostroter Färbung.
Jungvögel sind deutlich blasser gefärbt, auf Rücken und Kopf verleihen ihnen die hellen Federränder ein schuppiges Aussehen. Auch fehlen ihnen noch die rostroten Federhosen. Im Flugbild unterscheidet sich der Baumfalke durch kürzeren Schwanz und lange schmale Flügel vom langschwänzigeren und breitflügeligeren Turmfalken. Während man beim Turmfalken die Geschlechter an der Färbung gut unterscheiden kann, sollte das beim Baumfalken, die Weibchen sind etwas kräftiger, dem Kenner überlassen werden.
Die Rufe des Baumfalken klingen wie „gi, gi, gi, gi …“, scharf „pitt“ und weich „gäd, gäd …“ und sind weniger gellend als die vom nahen Verwandten. Baumfalken sind sehr schnelle und wendige Jäger, die ihre Beute, Kleinvögel und größere Insekten, vor allem Libellen und Käfer, ausschließlich im Flug erbeuten und die Insekten oft gleich im Flug verzehren. Wenn die Baumfalken Ende April, Anfang Mai aus ihren Winterquartieren zurückkehren, suchen sie zuerst ein Revier, meist das aus dem Vorjahr. Ihre Balzhandlungen werden von häufigen Rufen begleitet, vor allem in den frühesten Morgenstunden. Sie beginnen oft erst Anfang Juni mit der Brut, wenn die Jungvögel der Nesterbauer, vor allem Krähenvögel, bereits ausgeflogen sind. Zwei bis vier Eier sind die Regel, die auf gelblich braunem Grund fein dunkel gepunktet und gefleckt sind.
Es sind die hellsten Eier der heimischen Falkenarten. Das Weibchen brütet 28 bis 31 Tage und wird dabei vom Männchen mit Nahrung versorgt. Auch bei der Aufzucht der Jungfalken herrscht Arbeitsteilung. Das Männchen schafft die Nahrung herbei, die Partnerin hudert, füttert, bewacht und verteidigt den Nachwuchs. Nach etwa einem Monat sind die Jungvögel flügge und recht auffällig im Revier. Sie schreien sofort laut, nähert sich ein Altvogel mit Beute. Bis zum Abzug in das Winterquartier, Ende September, werden die Jungfalken, die nun auch schon selbst jagen, mitunter noch vom Männchen gefüttert. In Sachsen leben schätzungsweise 3 500 Turmfalkenpaare, aber nur etwa 250 Paare der Baumfalken.