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"Ein Zoo ist keine rundum heile Welt"

Im Leipziger Zoo hat die Freude über den Nachwuchs bei den Löwen nicht lange gehalten. Die beiden Jungtiere sind tot. Was Löwenmutter Kigali damit zu tun hat:

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Löwenmutter Kigali hat ihre beiden Kinder gefressen.
Löwenmutter Kigali hat ihre beiden Kinder gefressen. © Zoo Leipzig

Von Josephine Heinze und Gisela Gross

Ihr Leben hatte gerade erst begonnen. Sie hatten keine Namen, ihr Geschlecht war ungeklärt und auch für Zoo-Besucher waren sie noch nicht zu sehen. Einen ersten Blick auf sie werfen konnte man dank einer unscharfen Aufnahmen einer Überwachungskamera, die der Zoo am Montag veröffentlichte - zu der freudigen Nachricht, dass erstmals seit 15 Jahren wieder Löwen im Zoo Leipzig geboren wurden. Das Bild zeigte die Kleinen im Stroh, an den Zitzen von Mutter Kigali. Nur einen Tag später teilt der Zoo überraschend mit: "Löwenjungtiere überleben nicht." Kigali habe sie gefressen.

Wie konnte es dazu kommen? Der Tierpark erklärt am Dienstag, dem Mutter-Jungtier-Gespann sei es seit der Geburt am Freitagabend "augenscheinlich gut" gegangen. Kigali habe sich in der sogenannten Mutterstube - einem vor Besucherblicken geschützten Zoo-Bereich - "intensiv um ihren ersten Nachwuchs gekümmert". Sie habe die Jungen gepflegt und gesäugt. So auch am Montagabend, "bevor sie plötzlich die beiden Jungtiere während der Fellpflege nacheinander vollständig gefressen hat". Bei Wildtieren komme ein solches Verhalten immer wieder vor - "gerade bei Erstgebärenden", hieß es.

Was genau die Ursache war, kann nicht mehr geklärt werden. Ohne Kadaver ist keine Obduktion oder Untersuchung möglich. Damit bleibt offen, ob die Jungen womöglich krank oder schwach waren. "Wir sind geschockt und können es nicht erklären", sagte Bereichsleiter Jens Hirmer. Allgemein könne der Tod damit zu tun haben, dass Kigali noch unerfahren in der Mutterrolle war. Auch die Entwicklung der Jungen könne eine Rolle spielen. Anfangs war die Anspannung groß gewesen, ob das Säugen funktioniert: Es habe 30 Stunden gedauert, bis die Babylöwen die Zitzen ihrer Mutter fanden, hieß es am Montag.

Keine "rundum heile Welt"

Afrikanische Löwinnen bringen in der Regel zwei bis vier Junge zur Welt, diese wiegen normalerweise etwas mehr als ein Kilo. Wie bei anderen Wildtieren auch kommt es vor, dass nicht alle Tiere aus einem Wurf die erste Zeit überleben. Kigali hatte ursprünglich drei Junge, eines wurde nach Zooangaben jedoch tot geboren.

Experten wollen aus der Ferne nicht über mögliche Ursachen für den Tod des Leipziger Raubtiernachwuchses spekulieren. Klar ist: Dass Mütter ihre Jungen fressen, komme bei mehreren Tierarten vor, "sowohl in der Wildnis als auch im Zoo", wie ein Sprecher des Verbands der Zoologischen Gärten (VdZ) in Berlin bestätigt.

Aus dem Berliner Tierpark sind aus den vergangenen Jahren zum Beispiel Fälle bekannt, in denen Eisbärin Tonja bereits tote Junge auffraß. Das Fressen der Kadaver hat dann hygienische Gründe. Zudem wird verhindert, dass Feinde vom Geruch angelockt werden.

Allgemein könne man sagen, dass die Zucht von Großkatzen wie Löwen und Tigern in Deutschland "schon immer zu den erfolgreichsten" gehört habe, betont der VdZ. "Sehr häufig gelinge die Aufzucht von Jungen. Mütter, die zum ersten Mal Nachwuchs haben, stellten allerdings immer eine besondere Herausforderung dar. Der Leipziger Zoo gibt auf seiner Internetseite an, "historisch gesehen einer der größten Löwenzüchter weltweit" zu sein. Mehr als 2.300 Löwen seien dort zur Welt gekommen.

Der Vorfall zeige einmal mehr, dass auch große und moderne Zoos Todesfälle bei Jungtieren nicht vollständig in den Griff bekommen könnten, teilte James Brückner, Leiter des Referats für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund, auf Anfrage mit. Es werde deutlich, dass Zoo-Tierhaltung insgesamt auch Grenzen habe, also keine "rundum heile Welt" bieten könne.

Kigali geht es nach Zoo-Angaben gut, sie mache einen ruhigen Eindruck. In den kommenden Tagen soll sie sich wieder ein Gehege mit Kater Majo, dem Vater der Jungen, teilen.  (dpa)