Von Jana Ulbrich
Noch ist Günter Rudolph nicht ganz angekommen. Der Umzug von Großweitzschen in der Nähe von Oschatz, wo der Theologe seit 1979 als Pfarrer tätig war, zieht sich schon die zweite Woche hin. Zu vieles ist da, was der alte VW-Bus in die Oberlausitz bringen muss: Möbel, persönliche Dinge der großen Familie, Tausende Bücher . . .
Günter Rudolph richtet sich noch einmal ganz neu ein. In dem Siedlungshaus in Oelsa, das nun zum neuen Heim für ihn, sein Frau und die beiden jüngsten der fünf Kinder wird, riecht es nach Holz und frischer Farbe. Im Flur und auf den Treppenstufen stehen Blumen. Überall sind noch Kisten, die ausgepackt werden müssen.
Alles ist hell und freundlich und strahlt den gleichen Optimismus aus, den der 50-jährige Theologe selbst verbreitet. „Ich habe mich hier gleich sehr wohl gefühlt“, sagt er. Seine Kollegen hat Günter Rudolph schon kennen gelernt, mit dem Löbauer Pfarrer Friedrich Krohn sogar einen alten Studienfreund vom Theologischen Seminar in Leipzig wiedergetroffen. Und er hat sich gefreut über den im Vergleich zu vielen anderen ostdeutschen Gegenden verhältnismäßig soliden Zustand der Kirchenbauten, die er bei seinen Rundreisen durch den Landkreis schon gesehen hat.
Dabei weiß der neue Superintendent um die Probleme, die hier am Rande Deutschlands auf ihn warten: Die immer schwieriger werdende finanzielle Situation der Kirchgemeinden, der unaufhaltsa-me Mitgliederschwund der evangelischen Kirche, die besonderen Pro-bleme der Grenzregion, die schwere wirtschaftliche Lage, die die Stimmung der Menschen trübt. „Die Landschaft“, weiß Pfarrer Rudolph, „wird durch das Denken und Fühlen der Leute geprägt“.
Freud und Leid will er jetzt mit ihnen teilen, besonders auch in der Pfarrgemeinde Löbau, Bischdorf-Herwigsdorf und Lawalde, in der er auch die Pfarrstelle übernommen hat. Und er will Mut machen. „Ich will mit den Menschen hier leben, so, wie es ist“, sagt er.
„Schönes und Schweres miteinander tragen. Aushalten, was manchmal nicht einfach ist, und genießen, was das Leben hier lebenswert macht.“
Darauf hat sich Familie Rudolph in ihrem neuen Zuhause eingerichtet. Der Sohn hat bereits die Schule gewechselt und besucht jetzt das Löbauer Gymnasium, die Tochter studiert an der Hochschule in Görlitz. Frau Rudolph, die ebenfalls Theologin ist, will sich auch hier, wie schon in der alten Heimat, um die kirchliche Kinder- und Jugendarbeit kümmern.
Als neuer „Chef“ im evangelisch-lutherischen Kirchenbezirk Löbau-Zittau mit seinen 43 Gemeinden und über 42 000 Gemeindegliedern will Günter Rudolph vor allem auch Ansprechpartner und Seelsorger für die Pfarrer-Kollegen sein. „Der Bischof ist doch von hier aus sehr weit“, weiß er.
Am Sonntag allerdings wird er da sein: Sachsens Landesbischof Volker Kreß, der den Pfarrer aus Großweitzschen im Sommer zu sich nach Dresden gerufen und ihm die Übernahme der Stelle in Löbau angetragen hatte, wird ihn beim feierlichen Gottesdienst in der Nikolaikirche in das Amt einführen. Das war seit dem vergangenen Jahr unbesetzt, nachdem Superintendent Wilfried Weißflog in den Ruhestand getreten war.
Der Gottesdienst zur Amtseinführung beginnt am Sonntag 14 Uhr in der Löbauer Nikolaikirche.