Von Andreas Kirschke
Kennt ihr Mieszko?“, fragt die polnische Dolmetscherin Jolanta Franz. Ihre deutschen Gesprächspartner zucken mit den Schultern. Vom ersten historisch nachweisbaren Fürsten der Polen (922-992) wissen sie nichts. Auch nichts von seiner Ehe mit der Sächsin Oda von Haldensleben. „Seht ihr. Solange sind wir Polen und Sachsen schon verbunden“, lacht Jolanta Franz. Die Dolmetscherin war jetzt mit Waldemar, Kalina, Karolina, Grzegorz, Malgorzata, Kuba und Justyna von der Bildungsstätte für behinderte Menschen Zlotoryja in Polen und der Leiterin Malgorzata Wnek zu Gast im Kloster St. Marienstern. Hier pflanzten die sieben polnischen Behinderten mit zwölf deutschen Behinderten der Werkstatt St. Michael Weihnachtsbäume. Auf dem Erdwall am Heizhaus gelangten so 700 Stechfichten-Setzlinge in die Erde. Die Baumpflanzaktion war Teil des im Dezember offiziell gestarteten grenzüberschreitenden Projektes „Et Labora“.
Die Stechfichten stammen aus der Fürst-Pückler-Baumschule Bad Liebenwerda. „Sie sind jetzt vier Jahre alt“, leitet Ullrich Furchner, seit 1991 Revierförster im Wald des Klosters St. Marienstern, die Behinderten und Mitarbeiter an. „In noch einmal vier Jahren können sie geerntet werden.“ Die Werkstatt St. Michael will sie vor Ort verkaufen. Kunden können sich „ihren“ Weihnachtsbaum dann selbst aussuchen. „Mit Gottes Segen hoffen wir, dass die Bäume anwachsen“, sagte Leiterin Karin Ziesch. Durch das Projekt entsteht eine Weihnachtsbaum-Plantage. So wird der Erdwall am Heizhaus sinnvoll genutzt. „Eine wunderbare Idee. Sie führt deutsche und polnische Behinderte zusammen. Die Werkstatt St. Michael im zweisprachigen Gebiet ist hier Vorreiter“, sagte Markus Schmidt, Referent für Behindertenhilfe im Caritasverband des Bistums Dresden-Meißen. Wie er pflanzten auch Christoph Mikwauschk, neuer Wirtschafts- und Personalleiter im Kloster St. Marienstern, und Pfarrer Gabris Nawka, seit 2007 in der Vikarie Panschwitz-Kuckau, fleißig mit. „So ein Projekt fördert die Begegnungen. Es ist wie ein Brückenschlag. Es fördert die soziale Verantwortung und die Freundschaft“, meint der Pfarrer.
Durch viele gemeinsame Treffen lebt das Projekt „Et Labora“ bereits. So weilten die Polen zum Beispiel zum Brot-Tag, zum Kräuter-Tag, zum Kartoffel-Tag und zum Tag der offenen Tür der Werkstatt St. Michael bereits in Panschwitz-Kuckau. Gemeinsam mit der Werkstatt St. Michael betreuten sie auf der Kamenzer Messe WIR einen Gemeinschaftsstand. Die deutsche Seite wiederum fuhr schon öfter nach Zlotoryja. Dort nahm sie an den Grillmeisterschaften, den Paralympischen Spielen, an einem Workshop zur Herstellung von Weihnachtskugeln und an den Goldwäscher-Meisterschaften teil. „Am 6. Juni kommen die Polen wieder zu uns. Wir fahren gemeinsam zum Milch-Aktions-Tag in die Krabat-Milchwelt in Kotten. Am 20. Juni folgt eine gemeinsame Fachtagung in Panschwitz-Kuckau zum Thema Inklusion“, sagt Karin Ziesch.
Das Projekt „Et Labora“, so unterstreicht sie, „stärkt beide Seiten“. Es fördert das Selbstvertrauen der Behinderten. Es öffnet sie für die Nachbarkultur. „Der wichtigste Schritt ist getan. Wichtig ist auch, die Sprachbarriere zu überwinden“, ist Dolmetscherin Jolanta Franz überzeugt. Die deutschen Behinderten lernen Polnisch. Die polnischen Behinderten lernen zwei Mal pro Woche anderthalb Stunden Deutsch.
Seit 2005 besteht die Bildungsstätte in Zlotoryja. Heute beschäftigt sie 25 Behinderte. Träger ist der Staatliche Fonds zur Rehabilitierung Behinderter (PFRON). Die Werkstatt in Zlotoryja fertigt Kunst- und Keramikprodukte sowie Souvenirs. Vor allem Weihnachtskugeln, Kerzen, Wachsfiguren, Holzständer, Servietten und Krüge entstehen dort. „Wir können viel voneinander lernen“, meint Leiterin Malgorzata Wnek über das Projekt „Et Labora“. Sie interessiert sich vor allem für die Planung, Koordinierung, Organisation und Umsetzung der Behindertenarbeit auf deutscher Seite. Diese lernt genauso von den Partnern in Zlotoryja. „Die Behinderten dort arbeiten sehr selbstständig am Computer. Sie werden intensiv herangeführt. Das sind Erfahrungen, die wir gern übernehmen wollen“, sagt Karin Ziesch. „In Polen gibt es auch eine intensive sportliche Betätigung und Physiotherapie für Behinderte. Sie organisieren mit Leidenschaft Veranstaltungen. Das sind wirkliche Höhepunkte. Davon können wir viel lernen.“
Begeistert vom Projekt und den ersten Begegnungen erzählen Christian Bartz und Betreuer Thomas Ssuschke, Leiter des Bereichs Landschaftspflege und Landschaftsgestaltung der Werkstatt St. Michael. Vor allem der Grillwettbewerb in Zlotoryja imponierte ihnen. Von elf Mannschaften wurden die Panschwitz-Kuckauer Erster. „Das hat uns sehr gefallen. Wir erleben dort eine andere Kultur“, schildern sie.
Bis Mitte 2014 ist das Projekt „Et Labora“, für das der Landkreis Zlotoryja die Gesamtverantwortung trägt, befristet. Karin Ziesch hofft auf Kontakte darüber hinaus. Wie Jolanta Franz wollen Thomas Ssuschke und Christian Bartz noch nicht zu weit nach vorn blicken. „Wir sollten jede Minute des Projekts genießen“, unterstreichen sie. „Wir leben im Hier und Jetzt.“
Gesucht werden für das Projekt „Et Labora“ noch freiwillige ehrenamtliche Kräfte. Sie können als Betreuer, Ideengeber und Begleiter mitwirken.
Kontakt: Werkstatt für behinderte Menschen „St. Micha-el“, Am Montschik 1, in 01920 Panschwitz-Kuckau, Leiterin Karin Ziesch, Telefon: 035796 80450, Fax: 035796 80459. [email protected]
www.st-marienstern.de.