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Schrecken Tempotafeln Raser wirklich ab?

Nicht überall bringen die Messtafeln den gewünschten erzieherischen Effekt. Ein Experte erklärt den Grund.

Von Erik-Holm Langhof
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In der Ostrauer Kirchstraße gilt Tempo 30. Doch dort sind Autofahrer oft ignorant und bringen Kinder in Gefahr.
In der Ostrauer Kirchstraße gilt Tempo 30. Doch dort sind Autofahrer oft ignorant und bringen Kinder in Gefahr. © Erik-Holm Langhof

Region Döbeln. Sie sollen helfen, Raser vor allem an gefährlichen Straßenabschnitten zu bremsen. Ob in der Tempo 30-Zone, in der Nähe der Grundschule oder im Streckenabschnitt, in dem Schulkinder zur Bushaltestelle gehen. In der Region Döbeln sind einige Tempotafeln aufgestellt. Doch erreichen sie den Zweck, dass Fahrer die Geschwindigkeit dauerhaft drosseln?

Genau diese Fragen stellte sich der Bürgermeister von Zschaitz-Ottewig Immo Barkawitz (parteilos) in den vergangenen Ratssitzungen. Für die Gemeinde sowie deren Ortsteile hat er im vergangenen Herbst vier Tafeln angeschafft, die im Einzelpreis etwa 1.500 Euro kosten. Angebracht wurden sie unter anderem in Goselitz, Möbertitz aus Richtung Döbeln kommend oder in der Nähe der Zschaitzer Kindertagesstätte. 

Ist ein grünes Lächeln nicht angenehmer?
Ist ein grünes Lächeln nicht angenehmer? © Matthias Weber

Die Standorte seien damals mit Absicht ausgewählt worden, erklärt Barkawitz. „Sie sind genau dort, wo gern einmal schneller gefahren wird“, sagt er. „Sie erscheinen mir schon sehr sinnvoll.“ Er selbst versuche zumindest immer, ein grünes lachendes Gesicht an den Tafeln zu erreichen. Seiner Meinung nach wollen das auch viele andere Autofahrer, doch es gibt auch Andere. „Teilweise stellt sich ein Gewöhnungseffekt ein, der die Autofahrer dann die Tafel ignorieren lässt“, meint Immo Barkawitz.

Nicht alle Tafeln bringen Ruhe

Das bestätigt auch die Messtafel aus Haßlau. Denn genau diese hat eine zusätzliche Funktion, die die angezeigten Geschwindigkeiten auch aufzeichnen lässt. Im November 2019 stellte Kristin Gebhardt vom Roßweiner Ordnungsamt die Ergebnisse vor. 

Dabei zeigte sich: Zum einen nehmen die Kraftfahrer in der Tempo 50-Zone den Fuß vom Gas, wenn sie die Zahlen von Weitem rot leuchten sehen. Zum anderen animiere die Tafel aber auch zum Rasen. 

Und das sind in Haßlau im vergangenen Oktober immerhin 163 Stundenkilometer gewesen – also 113 Sachen zu schnell. Vor allem Jugendliche scheinen einen Wettbewerb daraus zu machen, wer die höchste Geschwindigkeit erreicht.

Eine solche Gefahr besteht in der Tat, sagt Jens Schade, Verkehrspsychologe an der TU Dresden. Er und seine Kollegen haben schon mehrere Studien zu diesen Anzeigen gemacht – unter anderem eine groß angelegte für die Unfallforschung der Versicherer. „Dabei haben wir drei verschiedene Arten solcher Tafeln auf ihre nachhaltige Wirksamkeit getestet“, erklärt Schade. 

Klar ausgeschildert: die 30er Zone in der Ostrauer Kirchstraße.
Klar ausgeschildert: die 30er Zone in der Ostrauer Kirchstraße. © Erik-Holm Langhof

Im Test waren dabei eine Anzeige, die neutral nur die Geschwindigkeit anzeigt, eine zweite, die bei einer Temposünde die Zahl rot, bei korrektem Verhalten grün anzeigt und ein spezielles Dialog-Display. 

„Dort war ein richtiges Foto von Kindern zu sehen und ein Schriftzug. War der Fahrer zu schnell, stand die Aufforderung ,Langsamer!‘ zu lesen, wenn nicht, hieß es ,Danke!‘“, schildert der Wissenschaftler. Getestet wurden alle drei Tafeln bereits in den Jahren 2009 und 2010 mit insgesamt drei bis vier Millionen Fahrzeugen. Die Aussagen sind also ernst zu nehmen.

Bürgermeister wünscht sich Blitzer

Genau dieses Dialog-Display schnitt gerade bei der Nachhaltigkeit am Ende am besten ab. Denn im Gegensatz zu den anderen getesteten Varianten stumpften die Autofahrer auch auf lange Sicht hier nicht ab – was sonst zu beobachten war. Außerdem animiere die Version mit dem Kinderbild auch niemanden zum Tempo-Testen: „Dieses Display zeigt die gemessene Geschwindigkeit nicht an“, erklärt Jens Schade. 

Der Effekt lässt sich auch psychologisch gut erklären: Mit dem Foto der Kinder leuchtet dem Fahrer sofort ein, warum er sich an die Geschwindigkeit halten soll. Bei Symbolen – wie den lachenden oder böse schauenden Smileys, so schätzt Schade ein, sei dieser Effekt sicherlich weniger ausgeprägt. Aber kombiniert mit weiteren Maßnahmen – gelegentliche Geschwindigkeitsmessung vor Ort – ließe sich die Wirkung im Sinne der Anwohner sicherlich steigern.

Ähnlich sieht das auch der Bürgermeister Dirk Schilling (CDU) in Ostrau. Er hat drei Tafeln für die Gemeinde besorgt und in Kiebitz, an der Dresdener Straße sowie an der Kirchstraße anbringen lassen. Vor allem Letztere zahle sich aus, wie er meint. Dort, fast neben der Grundschule, gilt Tempo 30. 

Zusätzlich weist ein Schild „Achtung Kinder“ darauf hin, dass dort ein Schulweg entlangführt und Kinder auf die Straße laufen könnten. Doch Autofahrer seien besonders an dieser Stelle ignorant, wie Schilling erzählt: „Oft gehe ich dort spazieren und schaue mir den Verkehr an.

 Teilweise ist die Geschwindigkeit der Fahrzeuge sehr hoch.“ An dieser Stelle wünsche der Bürgermeister sich einen stationären Blitzer, auch wenn das die Gemeinde nicht entscheiden kann. Zumindest würden die Ergebnisse einer Fotofalle dort sehr ertragreich sein, glaubt Schilling. Er sei offen, die vorhandenen Tafeln auch an anderen Stellen auszuprobieren und sie ebenfalls um die Zusatzfunktion, wie in Haßlau, zu erweitern.

 „Letztendlich ist die Tempotafel jedoch ein Mittel, um die Autofahrer zu erziehen“, sagt das Gemeindeoberhaupt. „Und ich bin Fan von solchen Erziehungsmaßnahmen.“ (mit rt, SZ/abl)

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