Schüsse, Stürze, Herzinfarkt

Der schlimme Fahrradunfall des Sebnitzers Günter Fritzsche kurz hinter der Grenze im tschechischen Dolni Poustevna gab den Anstoß. Seine Frau Christa Fritzsche schob damals eine breite Diskussion auch auf politischer Ebene an. Denn der tschechische Rettungsdienst durfte ihren Mann nicht ins nahegelegene Sebnitzer Krankenhaus bringen, sondern nur ins 24 Kilometer entfernte Rumburk. Von dort wurde er in das noch mal 66 Kilometer entfernte Krankenhaus von Usti nad Labem geschafft. Die Zeitverzögerung führte zu bleibenden Hirnschäden. Günter Fritzsche blieb bis zu seinem Tod ein Pflegefall.
Seit dem Unfall sind zehn Jahre vergangen. Es hat sich einiges bewegt. Nicht zuletzt dank eines seit 2016 laufenden EU-Projektes zur „Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und Ausbildung im Rettungsdienst“. Daran beteiligt sind die DRK-Kreisverbände in der Sächsischen Schweiz und im Osterzgebirge und ihre tschechischen Partner. Inhalt sind unter anderem gemeinsame Rettungsübungen. Am Sonnabend fand die letzte dieser Übungen statt, organisiert vom DRK-Kreisverband Sebnitz.
An zehn Stationen auf deutscher und tschechischer Seite traten jeweils fünf Teams aus Deutschland und Tschechien gegeneinander an. Die Szenarien: Auf dem Schießplatz in Dolni Poustevna wurde eine Person angeschossen, im Sportzentrum Solivital in Sebnitz gab es einen Kletterunfall, im Steinbruch von Lipova wurde eine Frau von einer Kreuzotter gebissen, in einer Kneipe prügelten sich Gästen die Alkohol und Drogen intus hatten, im Kinder- und Jugendfreizeitzentrum Kiez war ein Kind ins Wasser gefallen.
Jedes Team musste anhand von Koordinaten die Einsatzorte finden, vor Ort handeln, alles dokumentieren. Dabei galt es auch nicht offensichtliche Krankheiten zu erkennen, wie zum Beispiel das Nierenversagen einer Wanderin, die eigentlich nur Durchfall hatte. In der Sebnitzer Klinik wurde parallel das Projekt Babylon II getestet, ein Übersetzungsprogramm. Hierbei wird der Einsatzablauf auf Englisch verfasst. Aufgabe war es, die Protokolle dazu in deutscher und tschechischer Sprache zu erfassen.
Nun, mit dem Auslaufen des geförderten EU-Projektes waren sich die Beteiligten einig, dass sich viel bewegt hat. Aber es gibt auch noch Schwachstellen, wie Rita Seidel, Vorstandsvorsitzende des DRK-Kreisverbandes Sebnitz erklärt: „Wir haben die Arbeit der Rettungsdienste intensiviert und es sogar Freundschaften entstanden. Jetzt muss die politische Ebene nachziehen.“ Es gebe zwar Gesetze und einen Rahmenvertrag, aber das Finanzielle müsse noch geregelt werden.
Der Vertrag besagt, dass die Rettungsdienste grenzüberschreitende Notfallversorgung übernehmen können. Doch das ist nur die eine Seite. Noch nicht geklärt ist die Finanzierung zum Beispiel für eine anschließende Behandlung in Krankenhäusern wie der Sebnitzer Klinik. „Die Notfallversorgung ist gesichert. Jetzt geht es darum, weiter an der Umsetzung zu arbeiten und die Details zu klären. Da sind auch die Krankenkassen gefragt“, sagt Marketa Knoppik vom Bildungswerk der Sächsischen Wirtschaft. Sie begleitete das Projekt von Anfang an und arbeitet derzeit an einem Exposé, welches die Unterschiede bei den Rettungsdiensten und mögliche Verbesserungen aufzeigen soll. So betragen zum Beispiel die Einsatzzeiten auf deutschem Gebiet zwölf Minuten, in Tschechien sind es zwanzig Minuten. Auch die Ausbildung ist unterschiedlich.
Die Fortschritte in der grenzüberschreitenden Notfallrettung sind sichtbar, bestätigt Kai Kranich, Pressesprecher des DRK-Landesverbands. „In der Region Sebnitz läuft es gut. Doch nicht überall entlang des 450 Kilometer langen Grenzgebietes sind die formalen Hürden abgebaut“, sagt er. Auch wenn das aktuelle EU-Projekt ausläuft, zumindest in der Grenzregion um Sebnitz wird es nachhaltig wirken und von den Rettern vor Ort mit Leben erfüllt.
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