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Schulanfänger proben Rekord

Langenhennersdorf. Ein besonderes Treffen macht die 650-Jahr-Feier zum unvergesslichen Erlebnis für knapp 900 ehemalige Erstklässler an der Schule.

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Von Gabriele Schrul

Wo gibt es eigentlich Schulanfänger, die keine Zuckertüte haben wollen? In Langenhennersdorf ist das Unglaubliche passiert – vor 55 Jahren. Siegfried Müller kam in die Schule. Doch er entpuppte sich als hartnäckiger Zuckertütenverweigerer. Im Dorf hatte ihm Stellmacher Flachs mit acht Jahren Schule „gedroht“. „Das würde ich mir an deiner Stelle noch mal überlegen“, riet er dem Jungen. Der Stellmacher punktete. Doch ohne Erfolg, denn Klein-Siegfried musste auch ohne Zuckertüte die Schulbank drücken.

Zum guinnessbuchverdächtigen Klassentreffen am Sonnabend wollte Irmgard Eichler ausbügeln, was Stellmacher Flachs einst angerichtet hatte. Mit einer Zuckertüte in der Hand, suchte die Organisatorin des Generationentreffens nach Groß-Siegfried. Doch das war nicht ganz einfach, schließlich folgten 884 Ex-Erstklässler der Einladung des Festkomitees von Langenhennersdorf.

Paul Teschner war mit 100 Jahren der Super-Senior unter den Mitschülern. Geboren 1905 und damit im Einweihungsjahr der Schule, bekam er seine Zuckertüte 1912. Das außergewöhnliche Klassentreffen wollte er, der heute im Seniorenzentrum Pirna lebt, auf keinen Fall verpassen, verrät sein Pfleger Ernst Wolf, der ihn zum Fest begleitete. Zehn Jahre jünger und immer noch lebhaft wie ein junges Mädchen ist auch Dora Behrens. Sie war mit 90 Jahren die Zweitälteste unter den Ehemaligen. Ein Stück ihrer Schulzeit trägt sie an diesem Tag in der Tasche. Zwei Stickproben holt sie heraus, die sie vor 80 Jahren im Handarbeitsunterricht anfertigte.

Schul-Erinnerungen fotografischer Art standen im großen Festzelt auf vielen Tischen. Die einzelnen Schuleinführungsjahrgänge 1927 bis 2003 hatten hier Platz genommen und dokumentierten mit Klassenfotos ihre Schulzeit. Der Jahrgang 1946 war mit 28 Leuten am stärksten vertreten. 17 saßen am Tisch des Jahrgangs 1956. „Normalerweise treffen wir uns alle fünf Jahre“, sagt Brigitte Rohnstock. Doch dieses Beisammensein ist schon etwas Besonderes. Und nicht nur Gerhart Klotzsche, ihr Banknachbar an diesem Nachmittag, will noch in die Schule schauen. Auch viele des Jahrgangs 1962 machen sich auf den Weg dahin. „Manche von uns haben sich 30 Jahre lang nicht gesehen“, sagt Sigrid Schönborn. Auch in dieser Klasse ist es zwar Tradition, sich aller fünf Jahre zu treffen. „Doch wie das so ist, es kommen nie alle 30 zusammen“, sagt sie.

Jens Klotzsche, Chef-Organisator im Festkomitee von Langenhennersdorf, ist zufrieden. „Wir freuen uns natürlich, dass so viele gekommen sind.“ Angesichts der großen Teilnehmerzahl wirft er zur Begrüßung im Festzelt einen kleinen verbalen Seitenhieb in die Runde. „Die Leute, die stehen müssen, sind auch immer diejenigen in der Schule gewesen, die in die Ecke gehen mussten.“ Die Lacher sind auf seiner Seite. Gelacht hat schließlich auch Siegfried Müller – über seine Zuckertüte anno 2006.