Von Peggy Zill
Der Strom war schon abgestellt, weil er die Rechnungen nicht bezahlen konnte. Als wieder Geld auf dem Konto war, kaufte sich der junge Mann aber lieber ein neues Handy, statt für Licht zu sorgen. Eine junge Frau ist nach einem Autounfall plötzlich mit 53 000 Euro verschuldet. Weil sie fahrlässig gehandelt hat, fordert die Versicherung das Geld für den Schaden zurück. Hinzu kommt Schadensersatz für den anderen Unfallbeteiligten. Das sind nur zwei von 720 Klienten, die im vergangenen Jahr im Büro von Marion Eckert und Stephanie Scarpat saßen. Die beiden Schuldnerberaterinnen der Döbelner Diakonie hatten 2013 deutlich mehr zu tun, als noch im Vorjahr. „Und die Tendenz sagt, dass es dieses Jahr nicht viel anders wird“, sagt Marion Eckert, die in der vergangenen Woche sogar eine Klienten-Sperre verhängen musste, um die bisherigen Fälle zu sortieren. Die zwei Tage pro Woche, die sie bisher dafür eingeplant hat, reichen nicht mehr. Wer zurzeit eine Schuldnerberatung braucht, der muss bis zu vier Wochen auf einen Termin warten. Die Außensprechstunde in Roßwein gibt es nicht mehr und auch den offenen Sprechtag hat die Diakonie abgeschafft, weil die Klienten auch so unangemeldet vor der Tür stehen würden. In Ausnahmefällen seien auch Hausbesuche möglich.
Geld spielt keine Rolle
Zu den häufigsten Schuldenfallen gehören nach Erfahrung der Schuldnerberaterinnen Handyverträge, der Kauf eines neuen Autos oder die Aufnahme eines Kredits. Zur Beratung in die Diakonie kommen in etwa gleich viele Männer wie Frauen. 115 waren jünger als 27 Jahre und schon verschuldet. „Es ist frustrierend, wenn man die Kinder der Klienten hier sitzen hat“, sagt Marion Eckert. Der Nachwuchs habe zwar gesehen, wie schlimm es ist, ohne genügend Geld zu leben, aber eben auch nicht gelernt, damit umzugehen. „Die wenigstens wissen, wo das Geld hingeht“, so die Schuldnerberaterin. Nur zwei von zehn neuen Klienten hätten einen Überblick und könnten den Schuldnerberatern eine Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben vorlegen. „Mit allen anderen müssen wir einen Haushaltsplan erarbeiten.“ Eigentlich sei es gut, dass die Jobcenter die Miete direkt überweisen. „Aber aufgrund dessen vergessen viele, dass die Wohnung überhaupt etwas kostet“, so Eckert. Man nehme den Leuten das Verständnis, dass Miete und Strom gezahlt werden müssen.
Ein großes Problem bei den jüngeren Klienten sind Handy-Schulden. Einmal einen Vertrag unterschrieben, sind die Kunden meist für zwei Jahre gebunden. „Die Mobilfunkanbieter locken mit tollen Angeboten. Für manche Kunden spielt Geld bis zu einem gewissen Punkt keine Rolle, weil sie nicht wissen, wie viel sie ausgeben dürfen“, schildert Stephanie Scarpat ihre Erfahrungen. Einer der großen Anbieter ist aber auch ein Gläubiger, bei dem die Schuldenberater auf Granit beißen. Viele seien schon zufrieden, wenn sie 20 Prozent reguliert bekommen. „Das ist schließlich besser als nichts.“ Vodafone gehe jedoch selten unter 75 Prozent.
Aber es ist nicht nur die Jugend, die mit ihrem Geld nicht zurechtkommt. Einen leichten Anstieg verzeichnet die Schuldnerberatung auch bei den Senioren. „Den Übergang von Hartz-IV zur Rente schaffen nicht alle. Da fehlt ein Monat“, erklärt Marion Eckert. Während das Jobcenter am Monatsanfang überweist, zahlt die Rentenkasse erst am Monatsende. Immer mehr Ältere sind zudem gezwungen, Grundsicherung zu beantragen. 58 über 60-Jährige kamen im vergangenen Jahr zur Schuldnerberatung.
Warum es besonders in Waldheim viele Überschuldete gibt, können die Mitarbeiterinnen der Diakonie nicht beantworten. Laut Schuldneratlas von Creditreform ist die Schuldnerquote mit 12,17 Prozent in Waldheim deutlich höher als zum Beispiel in Roßwein mit 8,6 Prozent.
Kontakt Schuldnerberatung: Tel. 03431 712625 (Marion Eckert) oder 03431 712627 (Stephanie Scarpat)