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Schuljubiläum in Röhrsdorf

Geschichte. Das Schulhaus ist 100 Jahre alt. Über 300 ehemalige Schüler treffen sich.

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Von Dieter Hanke

Corina Kammler ist 41 Jahre alt und sitzt noch immer in ihrem Klassenzimmer in der Röhrsdorfer Schule. Wenn sie im Obergeschoss aus dem Fenster schaut, ist der einstige Pausenhof der Kinder zu sehen. Ein, zwei Meter hinter ihrem Arbeitsplatz befand sich früher mal die Schultafel. „Von 1971 bis 1975 habe ich hier gelernt, bevor ich dann zur Schule nach Pegenau wechselte“, sagt die Sachbearbeiterin für Finanzen und Steuern der Gemeindeverwaltung Klipphausen. Seit 1990 arbeitet sie in diesem Gebäude, erst in der Verwaltung der einst selbstständigen Gemeinde Röhrsdorf, später in der Gemeindeverwaltung Klipphausen.

Wo früher Schulbänke waren, stehen heute Schreibtische und hohe Regale mit Ordnern. Die Kämmerei hat hier ihren Sitz. „Die Bedingungen sind gut, uns gefällt’s“, sagt Mitarbeiterin Ellen Straube.

In den zwei früheren Klassenzimmern im Erdgeschoss haben ebenfalls Verwaltungs-Abteilungen ihr Domizil, seit etlichen Jahren das Bauamt und seit 2005 das Einwohnermeldeamt von Klipphausen.

Dass sich in dem Gebäude von 1906 bis 1977 die neue Röhrsdorfer Schule befand, wissen wohl nur die Einheimischen. Denn ab 1994 wurde das Haus modernisiert, nur wenige Sachzeugnisse erinnern noch an seine ursprüngliche Bestimmung.

Geländer ist noch original

Der Röhrsdorfer Achim Wünsche kennt sich mit dem Gebäude bestens aus. „Von 1943 bis 1951 bin ich hier zur Schule gegangen“, sagt der langjährige Dachdeckermeister und Berufsschullehrer, der sich heute als Senior akribisch mit der Röhrsdorfer Geschichte seit 1800 befasst. „Das eiserne Treppengeländer ist noch original, die Fliesen am Aufgang zum ersten Obergeschoss und die Zwischentür ebenfalls“, sagt Wünsche. Er schmunzelt. „Wenn wir dorthin mussten, war uns mulmig zumute, weil wir eine Dummheit begangen hatten. Der Kantor und Schulleiter wohnte im ersten Obergeschoss.“

Auf dem Dachboden, wo zu DDR-Zeiten der Hort war, sind noch die Dachsparren und Dielen aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts gut erhalten. Alte Computer, Kisten und Kästen lagern jetzt hier. Auch das Archiv der Verwaltung hat seinen Platz.

Das Schulportal ist verwaist, denn der Hauptzugang zum Gebäude ist seit etlichen Jahren der frühere Hintereingang. Über dem Portal prangt noch die Jahreszahl 1906, als die Schule eingeweiht wurde. Den Spruch „Gott zur Ehr’ – Uns zur Lehr’“ gibt es dort nicht mehr. „Dieser wurde nach 1945 entfernt“, sagt Ortschronist Wünsche.

Auch der Schulbrunnen am Haus – erbaut 1905/06 vom Wilsdruffer Brunnenbauer Feller – ist seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr in Betrieb. Zwei verwitterte Fahnenmasten auf dem früheren Sportplatz der Schule, der später zum Pausenplatz umfunktioniert wurde, künden noch von den Appellen in der DDR-Ära.

Im Seitengebäude waren Tiere

Das Seitengebäude des Areals hat ebenfalls eine bewegte Geschichte. „In den ersten Jahren war es Stall. Der Kantor hatte dort seine Ziegen untergebracht“, so Wünsche. Später diente das Gebäude der Essensausgabe für die Schüler. Gekocht wurde in der Zentralküche der LPG. Im Verbindungsgang zur Schule befand sich die Toilette.

Eine Broschüre, die Achim Wünsche 1996 anlässlich des 90. Jahrestages der Einweihung des neuen Schulgebäudes verfasste, enthält viele Fakten und Episoden. Am 12. September 1906 fand in der neuen Schule der erste Unterricht statt. Wünsche: „Unterrichtet wurde in einem etwa 70 Quadratmeter großen Raum im Erdgeschoss an die 40 Kinder zweizügig: Jeweils das 1. bis 4. Schuljahr nachmittags und das 5. bis 8. Schuljahr vormittags. Da war vom Lehrer schon pädagogisches Können gefragt, die Altersgruppe je nach Lernfortschritt bei der Stange zu halten.“ Der einzige Lehrer gab alle Fächer, nur für die Handarbeit der Mädchen erhielt er eine weibliche Hilfe.

Die größeren Fortbildungsschüler bekamen abends wöchentlich ein Mal – im Winter zwei Mal – Unterricht vom selben Lehrer. Ein Lokalschutzgesetz des Schulvorstands von 1916 verbot den Schülern das Rauchen bei Strafe. Wer sich nicht daran hielt, musste bis zu zehn Mark bezahlen.