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Schullandheime fürchten um die Zukunft

Keine Schulklassen – keine Einnahmen. Die fünf Häuser im Kreis Bautzen stehen wegen Corona seit Wochen leer - und hoffen jetzt auf den Sommer.

Von Reiner Hanke
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Keine Gäste im Schullandheim Grüngräbchen: Leiterin Gundula Hochrein führt durch leere Räume. Wegen Corona sieht es auch in den anderen vier Schullandheimen im Landkreis Bautzen so aus.
Keine Gäste im Schullandheim Grüngräbchen: Leiterin Gundula Hochrein führt durch leere Räume. Wegen Corona sieht es auch in den anderen vier Schullandheimen im Landkreis Bautzen so aus. © René Plaul

Bautzen/Kamenz. Alle Stühle im großen Speisesaal stehen hochgestellt auf den Tischen. Nicht, weil Besen und Schrubber geschwungen werden sollen. Es ist schon seit Wochen Dauerzustand im Schullandheim Grüngräbchen.

Eigentlich wäre jetzt am Morgen richtig Tumult. Zwei vierte Klassen wären gerade mitten in den Vorbereitungen zur Abreise. Rucksäcke und Koffer würden herumstehen und so manches traurige Gesicht zu sehen sein, erzählt Leiterin Gundula Hochrein. Denn der Abschied falle den Kinder oft schwer.

Derzeit gibt es aber keinen Abschiedsschmerz. Obwohl schon wieder zwei vierte Klassen aus Dresden im Plan standen. Aus der Landeshauptstadt sei das Interesse besonders groß, berichtet die Chefin. Weil das Haus in Grüngräbchen etwas kleiner und familiärer sei mit 60 Betten. Aber die Corona-Zwangspause hält an.

In der früheren Schule von Grüngräbchen bei Kamenz befindet sich heute ein Schullandheim. Eines von fünf im Landkreis Bautzen und unter dem Dach des Schullandheim-Vereins als Betreiber.
In der früheren Schule von Grüngräbchen bei Kamenz befindet sich heute ein Schullandheim. Eines von fünf im Landkreis Bautzen und unter dem Dach des Schullandheim-Vereins als Betreiber. © René Plaul

Dabei sah dieses Jahr alles so gut aus. Es begann mit einer besonderen Veranstaltung in Grüngräbchen. Das Haus gehört seit zehn Jahren zum Verein „Schullandheime Landkreis Bautzen“, und das wurde am 6. März gefeiert. Genau zum Beginn der Saison, die normalerweise von März bis Oktober geht.

Andreas Stelzmann ist der geschäftsführende Vorsitzende. Er hatte damals sogar mit dem besten Jahr für die Bautzener Schullandheime, zu denen neben Grüngräbchen auch die Landheime in Neukirch (Lausitz), in Bautzen/Burk, das "Sonnenblick" in Sohland und das Waldschulheim Halbendorf/Spree gehören, überhaupt gerechnet. Doch kurz nach der Feier kam der Corona-Lockdown.

Nun werde es  eher ein schlimmes Jahr, schätzt Stelzmann ein. "Wir wären ab Mitte April voll ausgelastet gewesen." Über 300 Betten verfügen die Landheime plus Sommerangebote in Finnhütten und Zeltcamps. Stattdessen wurde alles storniert. Alle internationalen Projekte zum Jugendaustausch sind abgesagt, Klassenfahrten bis auf Weiteres verboten. Gerade davon leben aber die Schullandheime. So ist die Situation prekär. Immerhin übernimmt der Freistaat die Stornierungskosten. Das helfe zumindest, laufende Betriebskosten zu finanzieren. 

Die 29 fest angestellten Mitarbeiter für die fünf Heime sind bis auf Ausnahmen in Kurzarbeit. Aber nicht nur die Mitarbeiter hängen in der Luft, sondern auch Partner für Exkursionen und Kreativprojekte wie die Pulsnitzer Puppenspielerin Uta Davids oder Karina Klotsche aus Höckendorf. Die Waldpädagogin ist mit den Kindern für abwechslungsreiche Landheimtage zum Beispiel dem Biber auf der Spur.

Eine halbe Million Euro Verlust

Den Verlust für den Verein prognostiziert der Vorsitzende bis in den Sommer  bereits auf fast eine halbe Million Euro. Um finanziell nicht völlig baden zu gehen, habe der Verein beim Freistaat Anträge gestellt und auch einen Hilferuf an den Landkreis als Träger. Mit dem habe es jetzt ein Gespräch gegeben, aber laut Verein noch keine konkreten Zusagen. 

Die Lage ist ernst. Der Verein könne nur noch kurze Zeit aus Reserven abfedern. „Es geht ums Überleben der Einrichtungen“, sagt Elke Röthig, Bürgermeisterin der Gemeinde Schwepnitz. Die Kommune ist Eigentümerin der Immobilie im Ortsteil Grüngräbchen. Doch die Bürgermeisterin beunruhigt. Sie habe natürlich großes Interesse daran, dass das Schullandheim als touristisches Angebot erhalten bleibt und nicht zum Corona-Opfer wird. Für die Immobilie gebe es ansonsten keine Nutzung mehr.

Darin müsste allerdings einiges saniert werden. An den Fußböden zum Beispiel, zum Teil an den Fenstern. Wünsche gibt’s noch mehr. Vielleicht könnte eine Solaranlage aufs Dach, um steigende Kosten zu senken. 

Verein hofft jetzt auf Ferienlager

Der Schullandheimverein hofft jetzt noch auf die Ferienlager: „Die Eltern werden schon unruhig“, sagt Gundula Hochrein. Sie seien verunsichert, es gebe bereits Stornierungen. Über 1.000 Anmeldungen seien es in normalen Jahren immer, derzeit gerade die Hälfte. „Und die Eltern wissen nicht, ob die Kinder kommen dürfen.“ Dabei wäre für die Mädchen und Jungen eine Abwechslung doch wunderbar, statt die ganzen Ferien daheim zu hocken. 

Inzwischen gibt es kleine Lichtblicke. Nach Auskunft des Sozialministeriums werden  Lockerungen für Landheime und Ferienlager in Sachsen diskutiert. Das Kabinett wird aber erst in der kommenden Woche darüber entscheiden. Touristische Buchungen sind  dagegen bereits wieder möglich. So konnte zu Himmelfahrt auch eine  Gruppe Ornithologen zu ihrem geplanten Treff in Halbendorf anreisen.

Es ist freilich nicht das Hauptgeschäft. Aber der Verein will aus dieser Krise die Konsequenz ziehen, die  touristische Strecke  zu profilieren und mehr preiswerten Urlaub für Privatreisende anzubieten. Es sei eine Option, so Andreas Stelzmann. Er hoffe, dass es angenommen wird.

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