Diese Elbfähre ist ein Schwalben-Nistplatz

Dresden. Das große Flattern beginnt, wenn das Schiff ablegt. Kaum liegen ein paar Zentimeter zwischen der Fähre und dem Ufer, beginnt der Aufruhr in der Luft. Im Sturzflug geht es unter das Schiff, wenige Zentimeter davor schießen die Schwalben wieder nach oben und umkreisen es, nur um dann wieder unter den Klappen zu verschwinden, über die die Autos auf die Fähre fahren. Bei jeder Überfahrt kann man dieses Schauspiel beobachten. Und wer genau hinsieht, erkennt auch, dass manche der schnelle Flieger unter den Klappen verschwinden.
Sie sind dort zu Hause. Unter den Auffahrrampen der Schloßfähre haben sie ihre Nester gebaut. Fünf sind es zur Zeit auf jeder Seite des Schiffes, schätzt Matthias Hauser, der stellvertretende Chef der 20 Fährleute. Sehen kann er sie nicht, dazu haben die flinken Flieger ihre Nester zu gut versteckt. Aber Hauser weiß: Sie nutzen dafür Vorsprünge, Verstrebungen und Ecken, an die normalerweise niemand herankommt. Nur, wenn die Fähre in der Werft auf dem Trockenen steht, kann man an sie herankommen. Doch auch dann lassen die Fährleute ihre gefiederten Fahrgäste in Ruhe.
Geräusche? "Das brauchen die"
Jedes Jahr kommen sie wieder und brüten auf dem Schiff. Das Motorgeräusch und der Krach, der entsteht, wenn die Fähre gegen die Anleger stößt, stört sie nicht. "Viele Vögel wie Schwalben leben schon seit langer Zeit in unmittelbarer Nähe des Menschen", erklärt Andreas Knoll von der Dresdner Ornithologie-Fachgruppe des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu). "Sie merken schnell, ob von den sie umgebenden Menschen eine Gefahr ausgeht oder nicht und wählen dann auch den eigentlichen Ort des Nistplatzes. Da werden ein paar Vibrationen einfach in Kauf genommen", sagt der Vogelexperte. Matthias Hauser ist überzeugt: "Seine" Schwalben mögen die Geräuschkulisse der Fähre, "das brauchen die".
Entscheidend ist laut Knoll auch, dass die Elbe für die Vögel ein Schlaraffenland ist. "Sie finden in der unmittelbaren Umgebung, also am und über dem Wasser genügend Nahrung in Form von Insekten." Das trifft offenbar auch für die Fähre Caroline zu, die derzeit zwischen Niederpoyritz und Laubegast unterwegs ist. Auch auf diesem Schiff nisten Schwalben. Dagegen meiden sie die Fährstellen in der Johannstadt und der Neustadt. Dort sei vielleicht zu viel Betrieb, meint Matthias Hauser.
Andreas Knoll kennt noch einen ungewöhnlichen Nistplatz dieser Kategorie. "Die Mehlschwalben-Kolonie an den Häusern vom Schillerplatz hat sich in den letzten Jahren fast vollständig unter den Fähranleger am Schillergarten und gegenüber in Loschwitz verlagert", berichtet der Vogelfachmann. "Eine Ursache könnte eventuell sein, dass durch die Zunahme des Autoverkehrs die Lärmbelastung für die Schwalben nun doch zu groß geworden ist.
Perfekte Verhältnisse
Die Fährleute lassen die Vögel in Ruhe. Viel tun können sie ohnehin nicht, würde zum Beispiel ein Nest ins Wasser fallen. Andras Knoll wünscht sich, dass auch Hausbesitzer die Tiere nicht stören, wenn sie zum Beispiel unter der Dachkante brüten. "Die Niststellen werden jährlich wieder aufgesucht und entweder die alten Vorjahresnester ausgebaut oder oft an derselben Stelle ein neues Nest errichtet", sagt der Nabu-Mann. "Daraus erwächst auch die Tragik, wenn Mieter oder Vermieter die Nistplätze von einem Jahr aufs nächste versperren. Die Vögel fliegen dann diese Stellen zunächst noch an, weil sie sich ihre Nester merken und auch nach dem langen Flug von Afrika zielgerichtet an diesen Platz zurückkehren."

Auf den DVB-Fähren finden sie ihre Nester ganz sicher wieder. An der Schloßfähre in Pillnitz klebt die Plakette "Schwalben willkommen". Sie wird vom NABU verliehen. Vor zwei Jahren wurden die Verkehrsbetriebe damit ausgezeichnet. Für die perfekten Schwalben-Verhältnisse auf den Fähren und den Fähranlegern.