Von Yannik Carstensen
Die Sonne brennt. Hier, an der Anlegestelle der Personenfähre von Laubegast nach Niederpoyritz, zeigt sich die Natur von ihrer besten Seite. Die Fähre nutzen aber nicht nur Berufstätige auf dem Weg zur Arbeit oder Radfahrer, die Ausflugsziele auf der anderen Elbseite haben. Auch ein paar Mehlschwalben fahren mit. Sie haben direkt unter dem Dach des Führerhäuschens ihr Nest gebaut. Hier hocken die Jungen und warten, bis sie von den Eltern gefüttert werden. Beim Hin- und Herfahren von Ufer zu Ufer schaukelt die Fähre, das Schwalbennest ist also in ständiger Bewegung. Das scheint ihnen allerdings überhaupt nichts auszumachen. „Seit mehreren Jahren brüten die Vögel auf der Fähre“, weiß Christian Nedeß, Fährmann der Dresdner Verkehrsbetriebe AG. Der 60-Jährige hat die Schwalben immer im Blick und beobachtet, wie sie um die Fähre kreisen und zum anderen Ufer mitfliegen, wenn diese ablegt. „Letztes Jahr waren sie hinten bei den Fahrgästen unter dem Dach, dieses Jahr sind sie vorne bei mir“, berichtet Nedeß.
Auf das Nest wurde jetzt auch SZ-Leserin Dorothea Rogge aufmerksam. „Das ist doch gigantisch. Hier die Tiere zu beobachten, in der Stadt. So was gibt es nicht überall“, schwärmt die 44-Jährige. „Gerade in einer Großstadt ist es wichtig, unbebaute Flächen zu haben“, sagt Rogge. Die gebürtige Schleswig-Holsteinerin kennt Schwalben aus den Bauernhöfen rund um ihr Elternhaus. Als kleines Mädchen sei sie oft in die Kuhställe gegangen, von dort kenne sie auch die Stimmen der Schwalben. „Aber jetzt mit Hafencity und Puro Beach verschwinden auch die Flächen für Vögel und andere Tiere“, berichtet Rogge.
Obwohl Schwalben als Glücks- oder Frühlingsbringer gelten, haben viele Menschen ungern ein Nest und damit Kot an ihrem Haus. Deshalb weichen die Vögel auf ungewöhnliche Brutorte wie Fähren aus. Hauptsache, es gibt einen Überstand, unter den sie ihr Nest bauen können, so Andreas Knoll, Vorsitzender der Fachgruppe Ornithologie Dresden des Naturschutzbundes (NABU). Die Brutzeit der Vögel dauert von Mai bis August. Danach geht es auch für die Niederpoyritzer Schwalben wieder zurück nach Afrika. Bis dahin fahren sie aber noch ein paar Runden auf der Fähre mit.