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Schwerstarbeit, bei der auch Köpfchen gefragt ist

Ob Lkw oder Kran – Frauen stellen sich der Herausforderung, wenn die Technik auch bisher fast nur von Männern beherrscht wurde.

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Von Bärbel Schumann

Claudia Kühn ist eine von diesen Frauen. Die Raschützerin lernt gegenwärtig in der Döbelner Fahrschule von Lutz Kunert, einen Lkw zu steuern. Sie ist nicht die erste Frau, der Fahrschullehrer Kunert mit viel Geduld und Ruhe hilft, die PS-starke Technik zu beherrschen und gar mit einem Anhänger im Schlepp sicher zum Ziel zu gelangen. Seit Lutz Kunert mit seiner Fahrschule im Gewerbegebiet in der Döbelner Straße quasi gleich neben dem Firmengelände von Tecklenborg ansässig ist, kommt es ab und an vor, dass Frauen bei ihm den Führerschein für die großen und schweren Fahrzeuge erwerben wollen. Ebenso oft passiert es auch, dass sich bei Andre Nicolai, Serviceleiter bei Tecklenborg, Frauen für den Erwerb des Berechtigungsscheines zum Führen von Flurförderzeugen anmelden. „Immer öfter kommt es vor, dass auch Frauen in Lagern oder großen Logistikzentren arbeiten und dafür diese Berechtigung benötigen“, sagt der Serviceleiter. Ihre Zahl steigt.

Lutz Kunert nickt. Auch in seiner Fahrschule hat er das festgestellt. Erst kürzlich beim „Tag der offenen Tür“, den beide Unternehmen gemeinsam organisierten, war dieses steigende Interesse zu beobachten. In manchen Berufen, die noch vor einigen Jahren für Frauen tabu waren, wird zudem ein Lkw-Führerschein benötigt. Anlass für junge Frauen wie Claudia Kühn, sich der Herausforderung zu stellen.

Die junge Frau braucht diese Fahrerlaubnis für ihren Beruf als Rettungsassistentin. „Ich beginne gerade mein Anerkennungsjahr beim DRK. Da wird der Schein gefordert“, erklärt sie.

Männer fallen öfter durch

Fast startklar steht der Lkw auf dem Parkplatz. 366 PS stark ist seine Motorleistung. Ehe die 21-Jährige in die Fahrerkabine steigen kann, hat sie das Fahrzeug auf Betriebsbereitschaft zu überprüfen. Während sie das unter den kritischen Augen ihres Lehrers tut, erklärt Lutz Kunert einige der notwendigen Arbeiten: „Der Fahrer ist verpflichtet, zum Beispiel den Ölstand oder den Reifenzustand zu überprüfen. Selbst die Sauberkeit der Scheiben ist zu kontrollieren.“ All diese Dinge werden neben dem An- und Abkuppeln eines Anhängers, dem Einparken in eine Parklücke oder dem Anfahren rückwärts an eine Laderampe bei der praktischen Führerscheinprüfung verlangt. Doch auch der theoretische Teil der Ausbildung stellt an Frauen hohe Anforderungen, werden bei den 20 Doppelunterrichtsstunden doch auch Technikkenntnisse vermittelt. Wer glaubt, dass dies für Frauen eine scheinbar unüberwindliche Hürde darstellt, den belehrt Kunert eines Besseren: „Die meisten Frauen, so meine Erfahrung, legen viel Ehrgeiz an den Tag. Man soll es nicht glauben. Bei diesem Prüfungsteil fallen sie selten durch. Bei Männern liegt die Durchfallrate in der Theorie bei 20 bis 25 Prozent im ersten Anlauf.“

Unterdessen hat Claudia Kühn ihre Vorbereitungsarbeiten beendet und darf in das Mercedesfahrzeug steigen. Als Zug hat das immerhin eine Länge von 17,65 Metern und eine Gesamtmasse von 34 Tonnen. Der Kugelschreiber wird gezückt und das Blatt des Fahrtenschreibers beschriftet und eingelegt. Ordnung muss sein. Kunert hat inzwischen auf der Beifahrerseite Platz genommen. Noch weniger Handgriffe bedarf es, bis der Zündschlüssel gedreht und der Motor angelassen ist. Mit einem Lächeln im Gesicht schließt die Fahrschülerin fast routiniert die Tür.

Lastzug gefühlvoll gelenkt+

Bei ihrer ersten Tour geschah das noch zögerlicher, gesteht sie dabei. Mit Gefühl tritt sie die Pedale und langsam rollt der Lastzug an. In den nächsten Stunden wird das Gespann auf den Straßen der Region unterwegs sein. Wird über Landstraßen und Brücken fahren. Mal mehr mal weniger schnell. Und dabei nicht selten von zügig fahrenden Autofahrern gerade an zum Überholen ungeeigneten Stellen verflucht werden. „Jeder Lastwagenfahrer hat schon einmal in einem Pkw gesessen. Aber umgedreht? Ich glaube, wäre es umgedreht genauso, würden viele Autofahrer mehr Verständnis für die Brummi-Fahrer aufbringen. Mancher Autofahrer müsste aber gerade sich selbst an der Nase fassen, denn vielfach erleben wir, dass es oft so scheint, nur für Lastkraftfahrer gelten die Verkehrsvorschriften“, sagt Lutz Kunert.

Als Stunden später der Zug wieder das Firmengelände in der Dresdner Straße erreicht hat, liegt eine anstrengende Fahrt hinter dem Gespann. Die Hitze ist schließlich kein Hinderungsgrund, da fragt im Beruf auch keiner. Für Claudia Kühn war es nicht die letzte Fahrt mit dem Fahrschullehrer.