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Schwerverletzter nach Flatrate-Party

Sogenannte Flatrate-Partys – einmal bezahlen und trinken bis nichts mehr reinpasst – hat der Gesetzgeber verboten. Der Schutz der Jugend vor unkontrolliertem Alkoholkonsum war einer der Gründe dafür. Im Jugendhaus Roßwein ist so eine Party noch Ende November vorigen Jahres gelaufen.

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Von Cathrin Reicheltund Jens Hoyer

Sogenannte Flatrate-Partys – einmal bezahlen und trinken bis nichts mehr reinpasst – hat der Gesetzgeber verboten. Der Schutz der Jugend vor unkontrolliertem Alkoholkonsum war einer der Gründe dafür. Im Jugendhaus Roßwein ist so eine Party noch Ende November vorigen Jahres gelaufen. An Rande der „Monsterparty“ wurde ein 20-Jähriger bei einer Prügelei so schwer verletzt, das er bis heute darunter leidet. Die beiden Schläger standen gestern vor dem Döbelner Amtsgericht.

Es ist der 28. November 2009. Die Ankündigung der Saufparty ist bis heute im Internetportal „Myspace“ zu finden: 4,99 Euro Eintritt, „...die Getränke bekommt ihr dann natürlich für lau!!!“, schreibt der Veranstalter. In einer anderen Ankündigung ist unverblümter vom „Flatrate-Saufen“ die Rede.

Die 4,99 Euro Eintritt zahlen auch Anton P. (17) und Martin S. (18). Dafür trinken sie jeweils zehn Bier. Als es keinen Nachschub mehr gibt, steigen sie auf Schnaps um. Wie viel davon ihre Kehlen hinunterfließt, wissen sie später nicht mehr. Dass Anton P. irgendwann schlecht wurde, daran erinnert er sich noch. Deshalb gehen die Freunde gegen 2.10 Uhr an die frische Luft.

In einer schlecht beleuchteten Ecke treffen sie vor dem Jugendhaus auf Johannes K. und dessen Kumpel. Die sind zum Rauchen nach draußen gekommen. Ein Streit entspinnt sich. Verbalen Beleidigungen folgt ein Gerangel. Johannes K. stürzt. Schützend hält er sich die Hände vors Gesicht als er plötzlich einen starken Schmerz im Fuß verspürt. Martin S. hat ihn getreten. Das gibt er bei der gestrigen Verhandlung des Falls vor Gericht ohne Umschweife zu.

Johannes K. erleidet eine Sprunggelenksfraktur. Er muss zwölf Tage im Krankenhaus bleiben, wo er auch operiert wird. Eine zweite Operation ist noch geplant. Deren Ausgang ist ungewiss. Auch, ob ein bleibender Schaden entstanden ist, steht noch nicht fest. Heute beginnt der 20-Jährige eine Lehre. Auf Grund der noch nicht abgeschlossenen Behandlung bekommt Johannes K. aber derzeit keine Arbeitsunfähigkeitsversicherung.

Hohe Kosten für Angreifer

So wenig Kontrolle die Schläger über sich hatten, so wenig Übersicht hat offenbar auch der Vorstand des Jugendhauses über das, was in der vereinseigenen Einrichtung in den Wochenendnächten passiert. Von der „Monsterparty“ und der Schlägerei habe sie noch nie gehört, sagte Carolin Kempe vom Vorstand. „Wir kontrollieren das schon, aber wir können nicht alles vorschreiben.“

Der gemeinnützige Verein vermietet seine Räume für Partys und Veranstaltungen, um Geld für die Unterhaltung des Hauses und des offenen Jugendtreffs zu erwirtschaften. „Das sind oft private Partys, die bei uns gefeiert werden. Wie die Leute das händeln, davon haben wir keine Ahnung“, sagte Carolin Kempe. „Wir haben natürlich das Problem, dass immer gesagt wird: Das ist das Jugendhaus.“ Auch bei der Stadtverwaltung weiß niemand von illegalen Flatrate-Partys im Jugendhaus. Seit der Verwaltungsreform sind die Kommunen selbst für die Kontrolle von Gaststätte, Diskos und Clubs verantwortlich.

Für das Opfer, aber auch für die Täter, hat der Alkoholexzess weitreichende Folgen. Die Krankenkasse von Johannes K. hat sich bereits bei den Angreifern gemeldet und ihnen die Krankenhausrechnung ihres Opfers präsentiert. Das sind bisher 5600 Euro. Außerdem stehen noch Schmerzensgeld und Forderungen nach Schadensersatz im Raum. Strafrechtlich sind die beiden gestern noch einmal mit einem „blauen Auge“ davongekommen. Das Verfahren wird gegen Auflagen eingestellt. Anton P. muss innerhalb von sechs Monaten 50 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Bei Martin S. sind es innerhalb von acht Monaten 80 Stunden. Richterin Christa Weik fand mildernde Umstände: Die beiden Schläger hatten ihr Opfer noch im Krankenhaus besucht und sich bei ihm entschuldigt.