Von Ingo Kramer
Ein bisschen skeptisch ist Anja Gabrysch noch, wenn sie an ihre Zukunft in Görlitz denkt. In der Europastadt Castrop-Rauxel im östlichen Ruhrgebiet geboren, hat die junge Frau stets in ihrer Heimatstadt gelebt und auch nicht damit gerechnet, wegzugehen. Erst recht nicht, als sie gemeinsam mit ihrem Mann Markus vor sechs Jahren in ein neu gebautes Haus zog.
Seit Mai 2005 aber arbeitet Markus Gabrysch als Werksleiter eines Fenster- und Türenwerkes im polnischen Gromadka. Weil sie jedoch lieber in Deutschland als in Polen wohnen will, baut die junge Familie, zu der inzwischen auch Tochter Sina (4) und voraussichtlich ab September ein kleiner Sohn gehört, in Biesnitz das zweite Haus. Und verkauft das erste. Das Baugebiet hat sie im Internet gefunden. Über Google ist sie auf die Seite der Stadt Görlitz gestoßen und von da auf die des Wohnparks. Der Osten ist es nicht, der Anja Gabrysch skeptisch macht: „Außer nach Bayern wäre ich wohl überall hin gegangen.“ Vielmehr ist es der Fakt, dass sie in Görlitz noch niemanden kennt.
Die Eltern kommen mit
Außer Michael Schiemenz und seine Familie. Der Biesnitzer ist Inhaber der Firma Impuls Projektmanagement und Projektleiter für den Wohnpark Biesnitz, in dem das neue Haus der Familie entsteht. „Ohne ihn und seine Familie wären wir hier ganz schön aufgeschmissen.“ Regelmäßig sind die Gabryschs mit ihm in Kontakt und erfahren per E-mail oder telefonisch, wie es in Biesnitz vorangeht. Zum Richtfest am Montag aber war die ganze Familie gemeinsam in Görlitz. Und als die Richtkrone in sengender Hitze aufgesetzt wurde, stand Anja Gabryschs Vater mit auf dem Dach. Das 30. Häuschen im Wohnpark Biesnitz nämlich ist das erste, das als Zweifamilienhaus mit zwei komplett getrennten Hälften entsteht. In die zweite Hälfte ziehen Edith und Heinrich Söbbe, die Eltern von Anja Gabrysch. Auch sie haben ihr Leben lang in der gleichen Region gelebt. Jetzt haben sie ihr Haus in Castrop-Rauxel verkauft. Die Zukunft heißt Görlitz.
„Wir wollen einfach bei unserer Tochter und den Enkeln sein“, sagt Edith Söbbe. Auch ihr sei der Schritt nicht leicht gefallen. Michael Schiemenz aber ist zuversichtlich, dass die ab Herbst sechsköpfige Familie im Wohnpark Anschluss findet: „Die Grundstücke sind relativ groß und sehr familienfreundlich.“ Deshalb hätten sich schon einige Familien mit Nachwuchs im Kindergartenalter hier angesiedelt. Andererseits sind die Söbbes nicht die einzigen Rentner im Gebiet. Ein Ehepaar beispielsweise sei zur Wendezeit in die Altbundesländer gegangen und habe nach der Pensionierung beschlossen, in die Heimat zurückzukehren und ein Haus in Biesnitz zu bauen.
Einzug im November
Damit sich die neuen Hausbesitzer wohl fühlen, hat Michael Schiemenz die Pläne, die andere für das Gebiet erstellt hatten, verworfen. 280 Wohneinheiten waren zunächst auf dem Areal geplant. Nun sind es 80 Parzellen. Sie sind so geschnitten, dass jede Familie von der Terrasse ihres Hauses aus die Landeskrone sieht. Die Familien Gabrysch und Söbbe können das ab November, vielleicht auch schon ab Oktober. Dann nämlich wird ihr Zweifamilienhaus im Holunderweg 17 fertig sein. Und alle werden endlich Zeit haben, mehr von Görlitz zu sehen. „Vom ersten Eindruck ist Görlitz eine sehr schöne Stadt“, freut sich Anja Gabrysch. Ob sie ihr Arbeit bieten kann, weiß sie noch nicht. In der Heimat arbeitet sie im öffentlichen Dienst. „Ab Herbst gehe ich erst einmal ins Babyjahr“, sagt Anja Gabrysch. Und was dann kommt, liegt noch in weiter Ferne.