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Seifenhaus ist keine Seifenblase

Reichenbach. Bunt gemixt sind die Mitstreiter des Gewerbevereins. Die SZ stellt sie vor. Heute: die Drogerie Kluttig.

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Von Anja Hecking

Ihr habt doch hier alles“, betrat unlängst ein junger Mann von auswärts die Drogerie am Markt und äußerte seinen Wunsch. Das Produkt musste Katrin Klawonn, die Inhaberin des Geschäftes, zwar erst besorgen, aber dem Kunden war es recht so. Ihm hatte sein Bruder die Reichenbacher Drogerie empfohlen. „So etwa ist für uns natürlich ein Erfolgserlebnis“, sagt sie.

Guter Ruf zählt besonders viel

Ihren Vater, der das Geschäft 35 Jahre lang geführt hat, erinnert das an eh und je. Als Reichenbach noch ein großer Umsteigeplatz zwischen Görlitz und Löbau, Bus und Bahn war, kamen viele Kunden zwischen Ankunft und Abfahrt in die Drogerie: „Herbert, haste das? Da brauch’ ich mir das doch nicht extra in Görlitz zu holen.“

Katrin Klawonn weiß nur zu gut, wie wichtig ein guter Ruf und die Stammkundschaft für das Geschäft sind. Als sie die Drogerie vor zwei Jahren von ihren Eltern übernahm, lagen schon einige rasante Veränderungen hinter dem Familienbetrieb. „Wir haben das Geschäft seit 1969 mehrfach umgekrempelt“, sagt Herbert Kluttig. Er hatte das damals fast 100 Jahre alte „Seifenhaus“ am Reichenbacher Markt, zu dem bis Kriegsende auch eine Tankstelle gehörte, von der Vorbesitzerin übernommen.

Alles aus einer Hand

In den ersten Jahren erweiterte er die Produkte auf das volle Sortiment und erneuerte die Einrichtung. Von Seifen, Ölen und Fetten, Parfüm, Farben und Pflanzenschutzmitteln bis hin zu Pflege- und Gesundheitsprodukten konnten die Kunden hier alles aus einer Hand mit der entsprechenden Beratung kaufen.

„Ich bin im Geschäft meiner Eltern groß geworden“, erzählt Katrin Klawonn. Im Gegensatz zu ihrem Bruder stand für sie schon als Kind fest: „Ich will später selbst in der Drogerie arbeiten.“ Doch ihre Mutter riet ihr ab. Sie würde zu oft nein sagen müssen, wenn die Kunden nach diesem oder jenem fragten.

Doch dann kam die Wende. Katrin Klawonn hatte ihr Abi in der Tasche und entschied sich doch für die Drogistenlehre. In Fußpflege und Kosmetik erwarb sie weitere Abschlüsse. „1994 hab ich dann so nach und nach mit der Kosmetik in Reichenbach angefangen.“ Katrin Klawonn freut sich, dass von den Kundinnen der ersten Stunde fast alle bis heute geblieben sind.

Ab September wird sie eine Kosmetikerin einstellen, die sie über ein Praktikum mit ausgebildet hat. Die Fotostrecke einschließlich Passbildservice war nach der Wende auch ein neuer Versuch. „Die Kaufgewohnheiten haben sich inzwischen ja drastisch geändert“, sagt die junge Inhaberin. „Man muss ein gutes Händchen dafür haben, was die Kunden gerade für Produkte bevorzugen.“ Da kam die Beschäftigung einer weiteren Drogistin seit vorigem Jahr gerade recht.

Längst hat sich das Geschäft auf Waren eingestellt, die es nicht in den Großmärkten gibt. Auf die Vielseitigkeit schiebt es Herbert Kluttig, dass die Drogerie überhaupt noch existiert.

Hilfe macht manches leichter

Die Kunden können hier auch Schmuck und Uhren zur Reparatur abgeben, Kleidung für die Reinigung und Wäscherei, leere Druckerpatronen zum Füllen, sich Geräte zur Teppichreinigung ausleihen oder Geschenkartikel kaufen. Das alles gehört nicht direkt zur Branche. Aber viele Kunden sind froh, dass für sie die Wege zu den anderen Dienstleistern entfallen.

„Wir haben versucht, immer alles selbst zu schaffen, auch handwerklich“, sagt Herbert Kluttig. Dass sich die Familie so viel aufgebaut hat, ist für seine Tochter Grund genug, das alte Seifenhaus nicht einfach aufzugeben. Bereut hat sie ihre Entscheidung nicht. Herbert Kluttig würde zwar heute niemandem raten, so ein Geschäft aus dem Boden zu stampfen. Aber da sich die Familie hilft, erscheint manches leichter. Auch die Drogisten in der Umgebung unterstützen sich, zum Beispiel durch gemeinsame Einkäufe.

Bis heute arbeitet Katrin Klawonns Mutter im Geschäft mit. Und wenn ein besonderer Rat für einen Kunden benötigt wird, ist Herbert Kluttig schnell an Ort und Stelle. So kann sich seine Tochter auch auf die vielen neuen Dinge konzentrieren, für die sie ständig am Ball bleiben muss.